Dokumentation zu diesem Projekt

Die Neue Sachlichkeit in Dresden

Einführung

Die Malerei der Neuen Sachlichkeit und des Verismus der 1920er Jahre in Dresden vereint die schockierenden Sittengemälde von Otto Dix und Otto Griebel, die von proletarisch-revolutionären Ideen getragenen Bildfindungen von Hans Grundig oder Curt Querner sowie kraftvolle, volkstümlich-naive Positionen (Ewald Schönberg, Fritz Tröger) und konstruktivistische Anfänge (Hermann Glöckner). Romantisierend überhöhte, elegante Damenbildnisse (Wilhelm Lachnit, Wilhelm Dodel) stehen neben Figurenbildern, deren Strenge der klassisch antiken Form entlehnt ist (Johannes Beutner). Im Zuge der politischen Polarisierung von links- und rechtsgerichteten Kräften um 1930 gründete sich in Dresden mit der »Assoziation Revolutionärer Bildender Künstler« eine besonders wirksame Ortsgruppe linker Künstler, deren Werke der Neuen Sachlichkeit nahestanden. Die Generation der Schüler von Otto Dix, der von 1927 bis 1933 eine Professur an der Dresdner Akademie der Künste innehatte (Willy Wolff, Gussy Hippold-Ahnert, Kurt Sillack u.a.), bestimmte das künstlerische Leben in Dresden zu Beginn der 1930er Jahre und prägte auch nach 1945 den Neuanfang in der sowjetischen Besatzungszone bzw. der frühen DDR.

Im Rahmen eines an den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden angesiedelten Forschungsvorhabens soll die facettenreichen Kunstströmung »Neue Sachlichkeit« in Dresden erstmals in ihrer Gesamtheit erschlossen und mit anderen Zentren realistischer Malerei in der Weimarer Republik wie Karlsruhe, Hannover, München oder Berlin verglichen werden. Im Mittelpunkt stehen die Gemälde in der Galerie Neue Meister der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Zu ihrem Bestand zählen Schlüsselwerke der bislang vorrangig als »dresdentypisch« geltenden Gruppe der Veristen und »proletarischen Realisten« ebenso wie Werkgruppen bisher kaum beachteter Künstler. Um die Situation in Dresden zwischen 1918 und 1933 zu beleuchten, soll das Schaffen von über 70, zum Teil kaum bekannten Malern rekonstruiert werden, die nicht selten auch als Neuentdeckung zu bewerten sein könnten. Da die Quellenlage aufgrund der Zerstörung der Stadt 1945 und dem damit verbundenen Untergang vieler Ateliers als schwierig gilt, wurde in der Forschung die Auseinandersetzung mit den Dresdner Realisten oft auf die Hauptfigur Otto Dix und sein Wirken als Lehrer an der Akademie ab 1927 reduziert. Tatsächlich wurde eine relativ große Zahl an Gemälden im Zweiten Weltkrieg vernichtet, und neben den erhaltenen Originalen müssen daher zeitgenössische Publikationen, insbesondere Ausstellungskataloge, sowie die Nachlässe und schriftlichen Erinnerungen der Künstler berücksichtigt werden. Für eine angemessene Einordnung der Gemälde sollen in Zusammenarbeit mit dem Kupferstich-Kabinett und der Skulpturensammlung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden auch Zeichnungen (darunter Vorzeichnungen bzw. Kartons) und plastische Arbeiten herangezogen werden. Parallel zur kunsthistorischen Forschung führen Restauratoren umfassende Bilduntersuchungen zu maltechnischen Fragestellungen durch.

Die Untersuchung nimmt ihren Ausgangspunkt in der in Dresden als »ProtoNeue-Sachlichkeit« zu betrachtenden Malerei des Jugendstils und widmet sich dabei zunächst der Lehrergeneration der Künstler der Neuen Sachlichkeit, die unter anderem wesentliche Veränderungen in der Auffassung des Bildraumes und der Farbe vorbereiteten. Für die Zeit nach 1933 soll nach Grenzen und Übergängen der Neuen Sachlichkeit zu einer staatsnahen Kunst im Nationalsozialismus gefragt werden. Die Ergebnisse des Forschungsprojekts werden in eine als Katalogbuch gestaltete Monographie einfließen, die zum einen den Bestand der Galerie Neue Meister zugänglich machen, zum anderen die relevanten Werke anderer Museen und Privatsammlungen sowie lediglich als Abbildungen erhaltene, verlorene Werke berücksichtigen und einem Fach- und Laienpublikum als wissenschaftlicher Bestandskatalog und Nachschlagewerk dienen soll. Eine Ausstellung zur Neuen Sachlichkeit in Dresden der Galerie Neue Meister (1. Oktober 2011 – 8. Januar 2012) in der Kunsthalle im Lipsiusbau, Dresden, machte die erzielten Ergebnisse darüber hinaus auch einem erweiterten Besucherkreis sichtbar.

Fördermaßnahmen

Die Gerda Henkel Stiftung hat im Jahr 2010 Fördermittel in einer Gesamthöhe von rund 65.000 Euro zur Übernahme von Personal-, Reise- und Sachkosten zur Verfügung gestellt.

Das Projekt im Film

Dieses Forschungsvorhaben ist Teil der zweiten Staffel von L.I.S.A.video, dem auf L.I.S.A - Das Wissenschaftsportal der Gerda Henkel Stiftung verankerten Filmprojekt. Insgesamt fünf Teams von Wissenschaftlern, die in einem von der Stiftung geförderten Projekt tätig sind, haben ihre Forschungsarbeiten gefilmt. Fünf „erzählende“ Episoden dokumentieren den Forschungsprozess. Vier weitere Folgen sind jeweils einem Forschergespräch, einem Teamporträt, dem wissenschaftlichen Umfeld und einem relevanten Objekt, dem „Schlüsselstück“, gewidmet. Die Filme wurden episodenweise im Wissenschaftsportal veröffentlicht.

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Dieses Projekt wurde 2012 dokumentiert.