Dokumentation zu diesem Projekt

Der Bildbau im Film: Die Zeichnungen der Production Designer von Metropolis, Dr. Strangelove und Troy

Einführung

»Production Designer« (deutsch: Szenenbildner oder Filmarchitekten) entwickeln eine der Geschichte des Drehbuchs angemessene Welt – zum Teil im Studio gebaut oder on location. Damit verändern sie nicht nur unsere Sehgewohnheiten, sondern auch unser Bildgedächtnis auf nachhaltige Weise: Die Stadt der Zukunft erhielt durch »Metropolis« (1927) eine vielzitierte Form, der Set des War Room aus »Dr. Strangelove« (»Dr. Seltsam, oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben«, 1964) ist als Zentrale der Macht zur Ikone einer paranoiden Gesellschaft geworden, und die Requisite des trojanischen Pferdes aus »Troy« (»Troja«, 2004 / 07) ist Teil unserer Populärkultur. Trotz wachsender Aufmerksamkeit gegenüber dem Production Design und seiner fundamentalen Bedeutung für den Film werden die Zeichnungen meist unter dem Aspekt der reinen Gebrauchsgraphik gesehen, und ein Großteil ist verloren gegangen.

Der Kunsthistoriker und Regisseur Dr. Boris Hars-Tschachotin ist im Rahmen seiner Dissertation dem Beitrag der Production Designer für den Film nachgegangen und hat deren Arbeitsweise und Rolle als zentrale visuelle Motoren der Filmproduktion herausgearbeitet. Im Zentrum seiner abgeschlossenen Studie stehen drei wirkmächtige Beispiele der Filmgeschichte: Fritz Langs in den Babelsberger UFA-Studios gedrehtes Science-Fiction-Epos »Metropolis«, das heute als Meisterwerk des deutschen Stummfilmkinos gilt und mit der Industrialisierung der Stadt, der Arbeit in Zeiten des Kapitalismus, dem Verhältnis von Mensch und Maschine und der Hierarchie der Gesellschaft zahlreiche Topoi des frühen 20. Jahrhunderts aufnahm; Stanley Kubricks bissige Satire »Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb« über die atomare Zerstörung der Welt, die Mechanismen des Kalten Krieges und die amerikanische Gesellschaft vor dem Hintergrund der Kubakrise und des sich verschärfenden Wettrüstens; Wolfgang Petersens Hollywood-Blockbuster »Troy«, dessen von Nigel Phelps gezeichnetes Troja sich stark an den archäologischen Ausgrabungsergebnissen der vergangenen Jahrzehnte orientiert und zugleich in Form und Größe eine eigenständige, die Mächtigkeit und Monumentalität der Stadtarchitektur betonende Erfindung ist, die mit digitalen Mitteln erweitert wurde.

In einer Einleitung werden zunächst die drei so unterschiedlichen Filmbeispiele miteinander verknüpft und das für die kunsthistorische Forschung weitgehend unbekannte Arbeitsprofil des Production Designers erläutert. Ausgehend von den Zeichnungen der Production Designer Otto Hunte, Erich Kettelhut, Ken Adam und Nigel Phelps hat Dr. Hars-Tschachotin jeweils Konzepte, Realisierung und Wirkung filmischer Räume in den Blick genommen und die Bedeutung der Filmzeichnung erstmals umfassend untersucht. Dabei konnte er beispielhaft zeigen, dass die Ästhetik der bewegten Filmbilder maßgeblich durch die Filmarchitekturen und Zeichnungen der Production Designer beeinflusst werden, und dass vor allem die Filmzeichnungen noch vor Beginn der Dreharbeiten eine dem Genre und dem Drehbuch des Films entsprechende Form generieren. Abweichend von den in der Filmwissenschaft verbreiteten narrativen, vom Drehbuch ausgehenden Analysen deckt Dr. Hars-Tschachotin unter Anwendung kunst- und bildhistorischer Methoden die genuin zeichnerische Basis des bewegten Mediums auf und arbeitet heraus, wie das filmische Endprodukt auf die Zeichnungen und Entwürfe des Production Designers zurückzuführen ist. Die analogen und seit den 1990er Jahren auch digitalen Filmzeichnungen der Production Designer werden als ein neuer Gegenstand in das Forschungsfeld der Disziplin Kunstgeschichte integriert und dabei sowohl aus wissenschaftlicher als auch aus filmpraktischer Perspektive untersucht.

Die aus der Dissertation hervorgegangene Monographie legt eine weitreichende methodische wie auch materiale Grundlage für die zukünftige Auseinandersetzung von Kunst- und Bildhistorikern mit dem Film und bietet eine Fülle an bisher unveröffentlichtem Archiv- und Bildmaterial. Abgerundet wird sie durch ein Interview mit Alex McDowell, einem der heute innovativsten Production Designer, über Gegenwart und Zukunft des digitalen Entwerfens im Film.

Fördermaßnahmen

Die Gerda Henkel Stiftung unterstützte das Dissertationsvorhaben durch die Gewährung eines Promotionsstipendiums und stellte einen Druckkostenzuschuss für die Veröffentlichung der Dissertation zur Verfügung.

Publikation

Boris Hars-Tschachotin, Der Bildbau im Film. Die Zeichnungen der Production Designer von Metropolis, Dr. Strangelove und Troy, Eimsdetten und Berlin 2014

Dieses Projekt wurde im April 2015 dokumentiert.