Dokumentation zu diesem Projekt

ZERO 1957-1967. Kartierung einer europäischen Neo-Avantgarde

Einführung

Die internationale Bewegung ZERO bildete zwischen dem Ende der 1950er und der Mitte der 1960er Jahre eine Neo-Avantgarde in der europäischen Kulturlandschaft. Künstler aus Deutschland, Italien, den Niederlanden, Belgien, Frankreich und der Schweiz präsentierten in gemeinsamen Ausstellungen Kunstwerke, mit denen sie eine Überwindung des akademisch gewordenen Informel anstrebten. Ihre Experimente standen zudem parallelen künstlerischen Entwicklungen außerhalb Europas erstaunlich nahe, wie zum Beispiel die Arbeiten der japanischen Gruppe Gutai zeigen.

Die ZERO foundation, Düsseldorf, hat es sich zu ihrer Aufgabe gemacht, die gesamte ZERO-Bewegung grundlegend zu erforschen. Sie arbeitet an einem Kompendium, in dem diese internationale Avantgarde auf der Grundlage von bislang unveröffentlichtem dokumentarischen Material umfassend untersucht werden soll. Voraussetzung für eine Analyse der unterschiedlichen Facetten der Bewegung ist eine Grundlagenforschung, die eine Kartierung der gesamten Bewegung ermöglicht. ZERO soll dabei als Netzwerk betrachtet werden, in dem sich wechselseitige Impulse in mehreren Knotenpunkten kreuzen. Um die durch den Zweiten Weltkrieg verursachte Isolierung zu überwinden, führten die Künstler in der Nachkriegszeit rege Briefwechsel und reisten so viel wie möglich, um sich zu treffen und auszutauschen. Zwischen dem Ende der 1950er und der Mitte der 1960er Jahre organisierten sie Ausstellungen aus eigener Initiative, um ihre Präsentationsmöglichkeiten zu erhöhen, veranstalteten gemeinsame Aktionen und veröffentlichten Publikationen, in denen Beiträge von Künstlern aus verschiedenen Ländern enthalten waren. Auf diese Weise versuchten die Künstler, in einem weitgehend noch konservativen Kunstbetrieb Raum für neue Positionen zu schaffen. Der Schlüssel zum Verständnis der Beziehungen und Wechselwirkungen zwischen den Künstlern sowie ihren künstlerischen Positionen liegt daher in der Analyse ihrer gemeinschaftlichen Projekte. Aus diesem Grund koordiniert die ZERO foundation eine internationale Forschungsgruppe, die alle zwischen 1957 und 1967 für ZERO relevanten Ausstellungen, Aktionen und Drucksachen recherchiert, inventarisiert und in einer Datenbank erfasst. Dieses Projekt stellt die Grundlage für alle weiteren Forschungsarbeiten über ZERO dar.

Ziel eines von der ZERO foundation in Kooperation mit der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf durchgeführten und von Prof. Dr. Andrea von Hülsen-Esch und Dr. Tiziana Caianiello geleiteten Forschungsprojekts ist es, die in der Datenbank gesammelten Informationen auszuwerten und Schlussfolgerungen sowohl bezüglich des Charakters der gemeinschaftlichen Projekte der Künstler als auch der Dynamik der ZERO-Bewegung zu ziehen. Im Mittepunkt stehen zum einen die von Heinz Mack und Otto Piene erstmals 1958 in Düsseldorf herausgegebene Zeitschrift ZERO sowie verwandte Zeitschriften in Italien und den Niederlanden und weitere Drucksachen wie Kataloge, Einladungskarten und Plakate. Zum anderen konzentriert sich die Analyse auf die von ZERO durchgeführten Ausstellungen und Aktionen, mit denen die Aufmerksamkeit des Publikums auf die neue Kunstrichtung gelenkt werden sollte. Dabei werden für jede Ausstellung die Gestaltung des Raums und seine Beleuchtung, der institutionelle und kulturelle Kontext (Galerie, Museum, Außenraum usw.), die Kuratoren und Organisatoren, die Auswahl der Kunstwerke und ihr Bezug sowohl zueinander als auch zum gesamten Konzept und nicht zuletzt die Rezeption erforscht. Einen besonderen Schwerpunkt stellt die Präsentation der Werke dar, da die Künstler oft neue Lösungen erprobten. Für die bahnbrechenden und verschiedene Aspekte der Fluxus-Bewegung antizipierenden ZERO-Aktionen sollen jeweils die Akteure und ihre Rollen, die räumliche Atmosphäre, die akustischen Elemente, die verwendeten Requisiten und Kostüme sowie der Grad der Partizipation des Publikums in den Blick genommen werden.

Ein Beispiel für die häufig anzutreffende Verknüpfung der drei Bereiche Drucksachen, Ausstellung und Aktion ist ZERO Edition Exposition Demonstration, eine Veranstaltung, die 1961 in der Galerie Schmela in Düsseldorf stattfand. Dabei wurde die Präsentation der dritten und letzten Nummer der Zeitschrift ZERO mit einer Ausstellung und künstlerischen Aktionen verbunden. Im Zuge der Projektarbeiten soll darüber hinaus auch eine Abstufung erarbeitet werden zwischen jenen Künstlern, die sich als Ausstellungsorganisatoren und -kuratoren sowie als Herausgeber aktiv engagiert haben, und anderen, die an Ausstellungen, Aktionen und Publikationen teilgenommen haben, ohne sich substantiell an deren Konzeption und Organisation zu beteiligen.

Die Projektbearbeiterin, Dr. Ulrike Schmitt, wird sich insbesondere auch den internationalen Beziehungen und Wechselwirkungen von ZERO widmen. ZERO wird dabei, abweichend von der in der traditionellen Kunstgeschichtsschreibung üblichen Unterscheidung zwischen Zentrum und Peripherie, als »Rhizom« verstanden, d.h. als ein unhierarchisch verflochtenes System, das sich in alle Richtungen ausbreitet und mehrere Verdichtungen aufweist. Das Forschungsprojekt verspricht damit auch einen wesentlichen Beitrag zur Erarbeitung eines neuen Modells für die Beschreibung von Zusammenhängen in der Kunst nach 1945 zu leisten.

Fördermaßnahmen

Die Gerda Henkel Stiftung unterstützt das Forschungsprojekt durch die Gewährung eines Forschungsstipendiums für die Projektbearbeiterin Dr. Ulrike Schmitt sowie die Übernahme von Personal-, Reise- und Sachkosten.

Projektleitung

Prof. Dr. Andrea von Hülsen-Esch
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Institut für Kunstgeschichte

Dr. Tiziana Caianiello
ZERO foundation, Düsseldorf

Dieses Projekt wurde im März 2013 dokumentiert.