Dokumentation zu diesem Projekt

Post-World War II Anti-Semitic Pogroms in East and East Central Europe: Collective Violence and Popular Culture

Einführung

In den ersten beiden Jahren nach Ende des Zweiten Weltkriegs ereigneten sich in Ost- und Ostmitteleuropa eine Vielzahl von Gewalttaten gegen jüdische Gemeinschaften, die den Holocaust überlebt hatten. Begangen wurden sie in der Regel von Bauern und Arbeitern, Angehörigen der einfachen Bevölkerung. Betroffen waren insbesondere Polen, Ungarn, die Slowakei, die Ukraine, Russland und Rumänien. Vielleicht am bekanntesten ist das Pogrom in der polnischen Stadt Kielce am 4. Juli 1946, in dessen Verlauf über 40 polnische Juden getötet und weitere 80 Holocaust-Überlebende verletzt wurden. Ähnliche Gewalttaten fanden einen Monat später in der ungarischen Industriestadt Miskolc und an unterschiedlichen Orten in der Slowakei statt. Bereits zuvor hatte es Pogrome in anderen Städten Ungarns und der Slowakei sowie in der Ukraine und in Russland gegeben. Die Gewalt gegen Juden hatte zum einen bedeutende soziale und ökonomische Folgen, da sie deren Emigration aus Ost- und Ostmitteleuropa massiv beförderte. Zum anderen wirkten sich die Ereignisse auch politisch aus und beeinflussten die teilweise heute noch bestehenden Konzepte von Antisemitismus, Holocaust und Faschismus in den nach dem Krieg entstehenden kommunistischen Diktaturen Ostmitteleuropas sowie in der sich neu organisierenden Sowjetunion.

Eine Forschergruppe unter Leitung von Dr. Péter Apor, Dr. Ivica Bumová, Dr. Tamás Kende und Dr. Valentin Adrian Sandulescu geht den Formen kollektiver Gewalt gegen überlebende jüdische Opfer des Holocaust in Ost- und Ostmitteleuropa in den Jahren 1945 und 1946 nach. Mit Ausnahme von Polen, für das umfangreiche Studien vorliegen, sind die Gewalttaten gegen Juden in dieser Region bislang weitgehend unerforscht. Im Rahmen des Projekts sollen die soziokulturellen Hintergründe antisemitischer Pogrome in der Slowakei, in Ungarn, in der UdSSR und in Rumänien vergleichend in den Blick genommen werden. Die Gruppe möchte dabei sowohl die Verbindungen zwischen Alltagskultur und kollektiver Gewalt mit einbeziehen als auch transnationalen Zusammenhängen zwischen den unterschiedlichen Fällen von antisemitischer Gewalt nachgehen. Ziel des Projekts ist es, die spezifischen Umstände des Antisemitismus jener Zeit zu untersuchen und Ursachen und Folgen der aus der einfachen Bevölkerung kommenden Gewalttaten zu verstehen. Die Gruppe wird im Rahmen von fünf Einzelstudien folgende Forschungsfelder in den Blick nehmen: Die Entstehung der Idee von »legitimer Gewalt« in der Nachkriegszeit, das in der Öffentlichkeit vorherrschende Bild von Juden und Holocaust nach 1945, die allgemeine Erinnerung an den Krieg sowie die politische Instrumentalisierung der Pogrome und die Verknüpfung der Gewalttaten über die Landesgrenzen hinweg.

Ergebnis des auf drei Jahre angelegten Forschungsprojekts wird eine gemeinsam verfasste Monographie der Gruppe in englischer Sprache sowie eine Sammlung von Aufsätzen der Projektbearbeiter sowohl in englischsprachigen Fachzeitschriften als auch in führenden Fachmagazinen der jeweiligen Länder sein.

Fördermaßnahmen

Die Gerda Henkel Stiftung unterstützt das Forschungsprojekt durch die Gewährung von fünf Promotions- bzw. Forschungsstipendien für die wissenschaftlichen Bearbeiter Dr. Péter Apor, Dr. Ivica Bumová, Dr. Tamás Kende, Michala Loncikova und Dr. Valentin Adrian Sandulescu sowie durch die Bereitstellung von Fördermitteln zur Übernahme von Reise- und Sachkosten.

Dieses Projekt wurde im April 2015 dokumentiert.