Dokumentation zu diesem Projekt

Non-Germans in the Waffen-SS: A Cultural History

Einführung

Rund eine halbe Million nichtdeutscher Männer aus den während des Zweiten Weltkriegs besetzten Gebieten waren Mitglieder in der Waffen­-SS. Ein großer Teil wurde zwangsrekrutiert, aber auch zahlreiche Freiwillige schlossen sich der Elite­-Truppe der Nationalsozialisten an. Ausländische SS­-Leute dienten unter anderem in Kampfeinheiten und als Wachmannschaften in den Konzentrations­ und Vernichtungslagern. Vergleichende Forschungen zu den Rekrutierungen so genannter „Fremdvölkischer“ in die Waffen-­SS sind bislang selten, und Publikationen liegen meist zu einzelnen Einheiten sowie in Form apologetischer Erinnerungsliteratur oder rein militärgeschichtlicher Druckerzeugnisse vor.

Dass die Waffen­-SS nicht als monolithischer Block betrachtet werden kann und sich das Wirken ihrer Führung und Mannschaften je nach Ort und Zeitpunkt stark unterschied, gehört zwar zu den Ergebnissen historischer Forschung der letzten Jahre. Dennoch fehlen Veröffentlichungen, die nicht nur das Verhalten deutscher Protagonisten, sondern auch die Handlungszwänge und ­spielräume nichtdeutscher Akteure untersuchen.

Eine internationale Forschergruppe unter Leitung von Prof. Dr. Robert Gerwarth und Dr. Jochen Böhler geht der Frage nach, aus welchen Gründen sich die Männer in den besetzten Gebieten Europas der Waffen­-SS anschlossen. Erste Ergebnisse legen nahe, dass die finanzielle Versorgung des Einzelnen und seiner Familie sowie die Übereinstimmung mit den deutschen Kriegszielen zu den wichtigsten Motiven gehörten. Vielen Männern in den besetzten Gebieten im Osten Europas bot die Mitgliedschaft in der Waffen-­SS die einzige Möglichkeit, den Krieg zu überleben. In Ländern wie Norwegen, Holland oder Frankreich hingegen überwog die Idee, gemeinsam mit den Deutschen gegen den Bolschewismus zu kämpfen.

Im Rahmen von zwei Teilprojekten gehen die wissenschaftlichen Bearbeiter Dr. Franziska Zaugg und Dr. Jacek A. Młynarczyk den zwischen Motivation und Zwang changierenden Beweggründen von Ukrainern, Polen, Russen, Bosniern, Kroaten und Albanern in der Waffen­-SS nach. Dr. Młynarczyk untersucht die Gruppe der so genannten Trawniki, aus unterschiedlichen ethnischen Gruppen stammende ehemalige Kriegsgefangene der Roten Armee, die mit der Rekrutierung dem so gut wie sicheren Tod entgingen. Nach der Aufnahme in die Waffen­-SS wurden sie als Bewacher in den Vernichtungslagern im besetzten Polen eingesetzt. Dr. Zaugg beschäftigt sich mit muslimischen Einheiten der Waffen­-SS in Südosteuropa, beispielsweise der albanischen Skanderbeg­ und der bosnischen Handschar­-Division. Neben der Legitimation der Rekrutierung von Muslimen in der Ideologie der Waffen­SS geht es in ihrem Projekt um die Frage nach den sozialen, kulturellen und politischen Hintergründen der Männer, ihrer Beteiligung an Gräueltaten und Genozid sowie ihrem Schicksal nach Ende des Kriegs. Einen Teil ihrer Ergebnisse hat Dr. Zaugg bereits in einer Monographie veröffentlicht: Franziska A. Zaugg, Albanische Muslime in der  Waffen­ SS. Von „Großalbanien“ zur Division „Skanderbeg“, Paderborn 2016.

Übergeordnetes Ziel der aus mehr als 25 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bestehenden Forschergruppe ist es, einen differenzierten Umgang mit den Geschehnissen des Zweiten Weltkriegs in Ost­ und Südosteuropa zu ermöglichen und neben der militär­- auch die kulturgeschichtliche Bedeutung der Waffen­-SS zu beleuchten. Dabei soll abhängig von der Quellenlage insbesondere die Perspektive der Einheimischen so weit wie möglich berücksichtigt werden. Erste Ergebnisse des Gesamtprojekts wurden im Berichtsjahr im Verlag Oxford University Press veröffentlicht: Jochen Böhler, Robert Gerwarth (Hg.), The Waffen-­SS.  A European History, Oxford 2017.

Außerdem gaben Franziska Zaugg und Jacek Młynarczyk ein Themenheft der Zeitschrift für Geschichtswissenschaft (2017 / Heft 7–8) unter dem Titel „Ost­ und Südosteuropäer in der Waffen­-SS. Kulturelle Aspekte und historischer Kontext“ heraus, das wichtige Ergebnisse einer von ihnen im Dezember 2015 in Jena organisierten internationalen Konferenz zusammenfasst.

Projektleitung

Prof. Dr. Robert Gerwarth
Dr. Jochen Böhler

Institutionen

University College Dublin, Centre for War Studies
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Imre Kertész Kolleg

Bildnachweise

Abb. 1: © Istituto Storico della Resistenza e dell’ Età Contemporanea (Macerata, Italien)
Abb. 2: © United States Holocaust Memorial Museum Washington DC / Instytut Pamieci Narodowej (Warschau)
Abb. 3: © Elli Bartl
Abb. 4: Kriegsberichter Westermann, Mai 1944, NARA, 242­JRP­81­41­29a

Dieses Projekt wurde im März 2018 dokumentiert.