Dokumentation zu diesem Projekt

Ludovico Foscarini (1409–1480). Ein venezianischer Patrizier, Amtsträger und Humanist

Einführung

Der Patrizier Ludovico Foscarini (1409–1480) war einer der bedeutendsten venezianischen Humanisten des Quattrocento. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften absolvierte Foscarini einen für seine Zeit typischen cursus honorum, der demjenigen anderer venezianischer Humanisten stark ähnelt. Prägend für die politische und diplomatische Tätigkeit adeliger Amtsträger war das Prinzip der Einmütigkeit – unanimitas – mit der diese die Interessen der Serenissima nach außen vertreten sollten. Die Ursachen hierfür lagen in der politischen Kultur Venedigs: Diese war zum einen enormen, oftmals erbarmungslos ausgetragenen Gegensätzen zwischen den Parteien unterworfen. Zum anderen konnte der Herrschaftsanspruch des venezianischen Patriziats gegenüber der Bevölkerung in Venedig und den Eliten auf dem 1404 bis 1449 eroberten Festland aber nur durchgesetzt werden, wenn das Patriziat als politische Einheit auftrat. Unanimitas wurde daher gleichermaßen gegenüber Beherrschten und Herrschenden propagiert und stellte den einzelnen Amtsträger vor die enorme Herausforderung, sein Handeln immer wieder zwischen dem Dienst am Staat und dem Wettstreit untereinander auszurichten.

Ludovico Foscarini hinterließ rund 330 Briefe, die mit Blick auf das heuristische Potential und den Umfang der Sammlung einzigartig für seine Generation sind. Foscarini stellte den überwiegenden Teil seiner Briefe in einem aufwändigen Korpus zusammen, das er einem seiner Söhne vermachte. Offenbar wollte er seinen Nachkommen ein Muster für kulturelles und soziales Handeln übergeben, das aus seiner Perspektive keiner Konsistenz, sondern vor allem situativer Angepasstheit bedurfte. Die Briefe illustrieren eindrücklich, wie Foscarini im Laufe seiner Karriere die Prämissen seines Handelns unentwegt neu kalibrierte und dabei die Interessen der Serenissima sowie der von ihm vertretenen Klienten ebenso berücksichtigte wie private Lebensentwürfe, spätscholastische Überzeugungen und humanistische Motive. Foscarini berichtet über unterschiedliche Aufträge, die er für die Serenissima wahrnahm, darunter die Teilnahme an dem von Papst Pius II. 1459 einberufenen Kongress von Mantua, auf dem er die zurückhaltende Politik Venedigs in der Frage eines Kreuzzugs gegen die Osmanen zu vertreten hatte. Oftmals thematisierte Foscarini seine Unzufriedenheit mit den von ihm eingeforderten Praktiken und informierte Ärzte und Freunde über die negativen psychosomatischen Auswirkungen seiner amtlichen Tätigkeit. An sich selbst stellte er immer wieder hohe ethische Ansprüche, die er mit humanistischer Rhetorik staatspolitisch und christlich begründete.

Obwohl die herausragende Bedeutung der Briefe Foscarinis bereits im 18. Jahrhundert erkannt worden war, sind diese bis heute weder komplett ediert noch umfassend erforscht worden. Leonard Horsch möchte im Rahmen seines Dissertationsvorhabens die Briefe zum einen für eine Edition vorbereiten und sie zum anderen mit der archivalischen Überlieferung von Foscarinis diplomatischer, administrativer und parlamentarischer Tätigkeit in Beziehung setzen. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie die Konsensfassade der Serenissima aufrechterhalten wurde und wie amtlich tätige venezianische Humanisten in unterschiedlichen Situationen vielfältige, sich widersprechende Maßgaben in die Tat umsetzten. In einem übergeordneten Kontext kann die Analyse der Briefe Foscarinis zu Fortschritten bei der Lösung grundsätzlicher Probleme zum venezianischen Quattrocento beitragen: Auffällig ist, dass Humanisten in Venedig ausgerechnet im Patriziat auf traten, welches gleichzeitig das Aufkommen von Humanismus in Sekretariaten und Schulen verhinderte. Zu fragen ist ferner, warum humanistisch gebildete Patrizier eine Ausnahmestellung unter den venezianischen Festlandbeamten einnahmen. Herrn Horschs geplante Dissertation verspricht neue Erkenntnisse sowohl zum venezianischen Humanismus als auch zur venezianischen Herrschaft auf der Terraferma sowie zur politischen Kultur Venedigs.

Fördermaßnahmen

Die Gerda Henkel Stiftung unterstützt das Projekt durch die Gewährung eines Promotionsstipendiums sowie die Übernahme von Reisekosten.

Stipendiat

Leonard Horsch, München

Bildnachweise

Abb. 1: Photo: Leonard Horsch
Abb. 2: Abbildung in: Johannes Grevembroich, Monumenta veneta ex antiquis ruderibus, Museo Civico Correr, MS Gradenigo­Dolfin 228 II f. 96 r.

Dieses Projekt wurde im März 2018 dokumentiert.