Dokumentation zu diesem Projekt

Forschungsstelle »Entartete Kunst«

Einführung

Die Forschungsstelle »Entartete Kunst« wurde im März 2003 mit Unterstützung der Ferdinand-Möller-Stiftung am Kunsthistorischen Institut der Freien Universität Berlin eingerichtet und ist parallel dazu seit April 2004 auch am Kunsthistorischen Seminar der Universität Hamburg mit einem eigenen Schwerpunkt angesiedelt. Forschungsgegenstand sind die Methoden der nationalsozialistischen Kunstpolitik, insbesondere Vorgeschichte, Geschichte und Auswirkungen der Beschlagnahme moderner Kunstwerke in deutschen Museen durch die Nationalsozialisten im Jahr 1937. Darin eingebunden sind auch Forschungen zu den antimodernen Propaganda-Ausstellungen seit 1933 und zur Wanderausstellung »Entartete Kunst« von 1937 bis 1941. Leitfragen betreffen das Schicksal der Künstler, die Strategien der Museumsleiter, die Rolle der Kunsthändler innerhalb des Verwertungssystems sowie die Wege der 1937 beschlagnahmten Kunstwerke bis zu ihrem heutigen Standort. Im Mittelpunkt steht die Erarbeitung eines Inventars aller ca. 20.000 von den Nationalsozialisten in deutschen Museen als »entartet« beschlagnahmten Kunstwerke. Hierfür wurde eine multirelationale Datenbank (MuseumPlus) angelegt und jedem Werk die zur Identifikation notwendige Dokumentation beigefügt. Die Daten beinhalten photographische Aufnahmen, Hinweise auf die Depotlagerung, auf den eventuellen Einbezug in eine der Propagandaausstellungen sowie Angaben zur Verwertung durch die Kunsthändler, zum weiteren Verbleib der Werke bis zum ersten Besitzer nach dem Krieg und zum heutigen Standort. Eng verbunden mit der wissenschaftlichen Tätigkeit der Forschungsstelle ist die universitäre Lehre, die sich in der Betreuung einer Reihe von Magister- und Promotionsarbeiten, der Herausgabe einer eigenen Schriftenreihe sowie der Organisation von Symposien niederschlägt. Seit ihrer Einrichtung hat sich die Forschungsstelle sehr erfolgreich in der wissenschaftlichen Landschaft etabliert und wird insbesondere im Zusammenhang mit Restitutionsforderungen verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter immer wieder von den betroffenen Museen zur Beratung herangezogen.

Angesichts der von der Bundesregierung unter dem Druck zunehmender Rückgabeansprüche geforderten Verstärkung und besseren Koordination der Provenienzrecherche an deutschen Museen wird der Klärungsbedarf inhaltlicher Fragen zur nationalsozialistischen Kulturpolitik weiter anwachsen. Die Forschungsstelle »Entartete Kunst« sieht sich in diesem Zusammenhang zukünftig als ein wichtiger Auskunftgeber für inhaltliche Fragen allgemeiner und spezieller Art zu diesem vielschichtigen Themenbereich. Im weiteren Verlauf der Arbeiten soll daher das bereits erarbeitete Inventar über die bisherige Werkdokumentation hinaus erheblich erweitert werden. Aufgenommen werden sollen die konkreten Diffamierungs- und Unterdrückungsmaßnahmen gegenüber einzelnen Personen. Dazu gehören beispielsweise Ausstellungs- und Berufsverbote, der Ausschluss aus der Kulturkammer, Malverbote, publizistische Ablehnung und Diskriminierung. Darüber hinaus sollen auch die Strukturen des damaligen Kunsthandels detailliert dokumentiert werden, um das weitreichende Gebiet ineinandergreifender Mechanismen abrufbar zu machen. Notwendig sind Recherchen zu den Kontaktpersonen der Händler und Künstler sowie zu den wichtigsten Sammlern der Moderne, um den nationalen und internationalen Kunstmarkt während des »Dritten Reiches« in seiner ganzen Komplexität nachvollziehbar machen zu können.

Die aktuell in den Museen und öffentlichen Institutionen entfachte Sensibilität für diese Zusammenhänge verspricht fruchtbare Rückwirkungen auf die Arbeit der Forschungsstelle. Gemeinsame Bemühungen könnten die Voraussetzung für die Ermittlung der bis heute unbekannt gebliebenen Standorte zahlreicher Werke bieten, darunter hochrangige Gemälde von Max Beckmann, Marc Chagall, Otto Dix, Erich Heckel, Ernst Ludwig Kirchner, Wassily Kandinsky, Franz Marc, Emil Nolde oder Oskar Schlemmer. Die  Arbeit der Forschungsstelle »Entartete Kunst« lässt daher eine Fülle neuer Erkenntnisse erwarten, die in das Beschlagnahmeinventar einzuarbeiten sind, um sie an zentraler Stelle für die weitere Forschung verfügbar zu halten.

Fördermaßnahmen

Die Gerda Henkel Stiftung unterstützt die Forschungsstelle Entartete Kunst seit 2005 und hat Fördermittel in einer Gesamthöhe von rund 250.000 Euro zur Verfügung gestellt. Darin enthalten sind Mittel zur Übernahme der Personalkosten für die Wissenschaftlichen Mitarbeiter PD Dr. Christoph Zuschlag (2005-2006) und Dr. Meike Hoffmann (ab 2006) sowie Personalmittel zum Abschluss eines Werkvertrags und zur Übernahme von Reise- und Sachkosten.

Organisation

Projektleitung:

Prof. Dr. Uwe Fleckner
Universität Hamburg, Kunstgeschichtliches Seminar

Prof. Dr. Klaus Krüger
Freie Universität Berlin, Kunsthistorisches Institut


Projektbearbeitung:

PD Dr. Christoph Zuschlag (2005-November 2006)
Dr. Meike Hoffmann (seit November 2006)
Andreas Hüneke

Das Projekt im Film

Dieses Forschungsvorhaben ist Teil von L.I.S.A.video, dem auf L.I.S.A - Das Wissenschaftsportal der Gerda Henkel Stiftung verankerten Filmprojekt. Insgesamt acht Teams von Wissenschaftlern, die in einem von der Stiftung geförderten Projekt tätig sind, haben ihre Forschungsarbeiten gefilmt. Diese „Filmtagebücher“ wurden professionell verarbeitet und sind in zehn dreiminütigen Episoden im Portal veröffentlicht worden.

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Dieses Projekt wurde 2007 dokumentiert.