Dokumentation zu diesem Projekt

Ausgrabungen in der Zitadelle von Anuradhapura (Sri Lanka)

Einführung

Das im heutigen Sri Lanka gelegene Anuradhapura war der geschichtlichen Überlieferung zufolge vom fünften Jahrhundert v. Chr. bis zum elften Jahrhundert n. Chr. Hauptstadt der ceylonesischen Könige. Nach der Aufgabe der Stadt im Jahre 1073 wurden ihre Paläste, Klöster, Stupas und Tempel vom Dschungel überwuchert und erst im 20. Jahrhundert teilweise oberflächlich wieder freigelegt. Anuradhapura gehört zum Weltkulturerbe der UNESCO und zählt mit einer Ausdehnung von 40 Quadratkilometern zu den größten antiken Ruinen weltweit. Innerhalb Südasiens ist Anuradhapura in zweierlei Hinsicht eine der wichtigsten Fundstätten überhaupt: Zum Einen handelt es sich aufgrund der außergewöhnlichen Architektur und der Existenz schriftlicher Quellen um einen Schlüsselort für die Archäologie Sri Lankas und der gesamten Region, der eine Lücke in der chronologischen wie materiellen Sequenz Ceylons füllt und als Grundlage für Untersuchungen zum Handel im Indischen Ozean dienen kann. Zum Anderen ist Anuradhapura von grundlegender Bedeutung für die Forschung zur Herausbildung der südasiatischen städtischen Zivilisation. Als befestigte Siedlung reicht der Ort in die „protohistorische Epoche“ (900–500 v. Chr.) zurück und liefert eine außergewöhnliche Abfolge von Kulturschichten, die die Entwicklung einer früheisenzeitlichen Siedlung hin zu einer mittelalterlichen Metropole widerspiegeln. Erste Arbeiten in den 1980er und 1990er Jahren erlauben die Hypothese, dass die früheisenzeitliche Siedlung von Anuradhapura keine kleine Ansiedlung, sondern bereits eine Stadt war, was die bisherige Annahme in Frage stellt, dass die städtische Zivilisation in Sri Lanka erst um 500 v. Chr. Einzug erhielt.

Ungeklärt ist bislang die Frage, ab wann genau Anuradhapura eine städtische Funktion innehatte und wann der Ort zum Zentrum einer Hochkultur mit Phänomenen wie Schrift und entwickeltem Bewässerungssystem wurde. Ziel eines archäologischen Forschungsprojekts unter der Leitung von Prof. Dr. Kay Kohlmeyer, Berlin, ist es, auf der Grundlage der bisher in Anuradhapura vorgenommenen archäologischen Arbeiten weitere Daten zu Chronologie, Technologie und wirtschaftlichen Grundlagen zu gewinnen. Prof. Kohlmeyer konzentriert sich dabei auf die ca. 100 Hektar umfassende befestigte Zitadelle, das einstige administrative Zentrum von Anuradhapura. Geplant ist, dort in einer Tiefe von neun bis zehn Metern zu den ältesten, in die Zeit bis rund 900 v. Chr. zurückreichenden Siedlungsschichten vorzustoßen, die Schichten der frühhistorischen und eisenzeitlichen Epoche freizulegen und zu dokumentieren und so die Entwicklung sowie die Funktion der Architektur in Anuradhapura nachzuvollziehen.

Das in das vom Antikendienst Sri Lankas initiierte Anuradhapura Citadel Archaeological Project eingegliederte Forschungsvorhaben verspricht entscheidende neue Erkenntnisse über das zweite Auftreten komplexer Gesellschaften und städtischer Zivilisation in Südasien, das bisher primär mit der Expansion der nordindischen Maurya-Dynastie erklärt wird. Ein wichtiger Bestandteil des Projekts ist darüber hinaus auch die Fortbildung von Mitarbeitern und Studenten der Universitäten von Sri Lanka durch die von Prof. Kohlmeyer vertretene Berliner Fachhochschule für Technik und Wirtschaft.

Kampagne 2007 – Ergebnisse

Im Rahmen einer von der Stiftung mit Fördermitteln unterstützten sechswöchigen Vorkampagne wurden in Anuradhapura im Jahr 2007 zunächst Reste der mittelhistorischen Epoche (300–1250 n. Chr.) untersucht. Dabei konnten vier Grubenhorizonte unterschieden werden, von denen zwei mit Schutt von Gebäuden aus Backziegeln und konstruktiven Steinelementen verfüllt waren, der wahrscheinlich im Zuge von Restaurierungsmaßnahmen abgelagert wurde und wohl ursprünglich einem östlich der Grabungsstelle gelegenen Schrein zuzuordnen ist. Die Forscher stießen dort überraschend auf mehrere Bestandteile einer Eingangstreppe: einen undekorierten „Mondstein“, zwei „Wächtersteine“ mit Naga-Gottheiten und zwei reliefierte Seitenwangen mit der Darstellung eines Makara, eines mythischen Wesens aus Elefant, Löwe und Krokodil.

Aus der frühhistorischen Epoche (100–300 n. Chr.) wurden intakte Architekturreste erfasst: Backziegelkammern mit und über einem ungewöhnlichen Terrazzo-Boden aus Kalkstein, der seitwärts abfallend von einem Kanal umfasst wird. Die Funktion dieser großen Installation ist bislang nicht endgültig geklärt. Sie versiegelt den älteren Siedlungshügel, von dem daher eine ungestörte Stratigraphie der mittleren und älteren frühhistorischen sowie der protohistorischen Periode zu erwarten ist.

Im Rahmen der Einstandskampagne wurden die sri-lankischen Partner in modernen Vermessungs-, Grabungs- und Dokumentationsmethoden geschult.

Kampagne 2008

Im Jahr 2008 wurden die Arbeiten der Vorkampagne 2007 an der Ausgrabungsstelle Anuradhapura Dalada Maligawa (ADM) im Zentrum der Zitadelle fortgesetzt. Obwohl sich die Stratigraphie als äußerst schwierig erwies, konnten in einem Teilbereich des Grabungsareals bereits Schichten mit den für die frühe Eisenzeit typischen Pfostenbauten mit offensichtlich runder wie rechteckiger Struktur freigelegt werden. Die in diesem Areal ebenfalls gefundenen Scherben mit eingeritzten Zeichen lassen vermuten, dass das Team um Prof. Kohlmeyer der Klärung der Frage nach der Entwicklung der Schriftkultur in Anuradhapura näher gekommen ist.

Um die Ausgrabungsstelle in einen größeren Zusammenhang einordnen zu können, wurden in der Kampagne 2008 außerdem baugeschichtliche Untersuchungen von zwei Ende des 19. bzw. in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts freigelegten Ruinen in direkter Nachbarschaft durchgeführt, die zum Einen Erklärungen für die völlig zerstörte einstige Bebauung in den oberen Lagen der Ausgrabung geben und zum Anderen die Zuordnung der in der Vorkampagne gefundenen Bauplastik ermöglichen sollen. Bei den untersuchten Bauwerken handelt es sich um zwei Schreine in gleichartiger Backsteintechnik mit nahezu identischem, für Anuradhapura untypischen Grundriss. Während einer der Schreine (building A) in das achte / neunte Jahrhundert datiert werden kann, ist unklar, ob der andere Schrein (Gedige) gleichzeitig oder aber als Duplikat im Zuge einer kultischen Restaurierung im zehnten Jahrhundert errichtet worden ist. Mit diesem Datierungsproblem ist die Frage nach der Funktion der Schreine verbunden, denn nur bei einer Ungleichzeitigkeit ist die Möglichkeit gegeben, dass sie der zeitweisen Aufbewahrung Ceylons wichtigster und mit der Königsherrschaft aufs Engste verbundenen Reliquie, dem Zahn des Buddha, dienten. Die im Rahmen des Projekts durchgeführten baugeschichtlichen Untersuchungen weisen für building A eine längere Entwicklung mit drei Zuständen nach, während der Gedige Bau aus einem Guss zu sein scheint. Eine nochmalige Prüfung der historischen Quellen muss nun Klarheit darüber bringen, ob beide Bauwerke tatsächlich „Tempel der Zahnreliquie“ waren.

Die bauhistorischen Untersuchungen zeigen darüber hinaus, dass in Anuradhapura in großem Umfang undokumentiert restauriert worden ist, so dass es heute schwer ist, die teilweise schon wieder verwitterten Ergänzungen zu erkennen. Die Suche nach historischen Aufnahmen aus der Zeit der früheren Ausgrabungen ergab, dass das Photoarchiv des sri-lankischen Antikendienstes in Colombo mit seinem einmaligen Befund dringend einer konservatorischen Maßnahme bedarf, ehe die Quellen durch die klimatische Belastung endgültig zerstört werden. Das Angebot der von Prof. Kohlmeyer vertretenen Berliner Fachhochschule für Technik und Wirtschaft, hierbei zu helfen, soll im Herbst 2009 verwirklicht werden.

Ein wichtiger Bestandteil des Projekts war auch im Rahmen dieser Kampagne die Fortbildung von Mitarbeitern und Studenten der Universitäten von Sri Lanka. Wie schon in der Vorkampagne 2007 wurden die sri-lankischen Partner intensiv in modernen Vermessungs, Grabungs- und Dokumentationsmethoden geschult. Hinzu trat die Schulung in Bauaufnahme und baudenkmalpflegerischen Gutachten. Im Rahmen der für 2009 geplanten Arbeiten sollen zusätzlich Kurse in geophysikalischer Prospektion und der Konservierung und Restaurierung von archäologischem Kulturgut angeboten werden.

Fördermaßnahmen

Die Stiftung unterstützt das Projekt durch die Gewährung von Fördermitteln in Höhe von insgesamt rund 152.250 Euro zur Übernahme der Kosten für eine Vorkampagne und drei Grabungskampagnen in Anuradhapura in den Jahren 2007 bis 2010.

Das Projekt im Film

Dieses Forschungsvorhaben ist Teil von L.I.S.A.video, dem auf L.I.S.A - Das Wissenschaftsportal der Gerda Henkel Stiftung verankerten Filmprojekt. Insgesamt acht Teams von Wissenschaftlern, die in einem von der Stiftung geförderten Projekt tätig sind, haben ihre Forschungsarbeiten gefilmt. Diese „Filmtagebücher“ wurden professionell verarbeitet und sind in zehn dreiminütigen Episoden im Portal veröffentlicht worden.

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Dieses Projekt wurde zuletzt 2008 dokumentiert.