Dokumentation zu diesem Projekt

Lexikon der Revolutions-Ikonographie in der europäischen Druckgraphik 1789-1889

Einführung

Die Französische Revolution von 1789 hat über Frankreich hinaus nicht nur langfristig strukturelle politisch-soziale Umbrüche ausgelöst, sondern war auch ein Medienereignis europäischen Ausmaßes. Massenhaft produzierte Pamphlete und Zeitungen, gedruckte Karikaturen, Liedflugblätter und Medaillen begründeten eine neue, tendenziell demokratische politische Kultur. Eine zentrale Rolle spielte dabei die Bildpublizistik, indem sie traditionelle mythologische, christliche und volkstümliche Elemente mit aktuellen Sichtweisen eindrücklich zu einer eigenen Zeichensprache verschmolz, die die Aussagen der Textpublizistik auf einen Blick komprimierte und daher ohne „Übersetzung“ die Ländergrenzen überschreiten konnte. Die ikonischen Neuprägungen beschränkten sich dabei nicht auf nahe liegende Symbole und Konzepte wie die Bastille und den Freiheitsbaum, die Kokarde und die Trikolore, die Guillotine und die Terreur. Der umfassende Charakter der Kulturrevolution zeigte sich vielmehr darin, dass ihre visuelle Umdeutung von Werten sich auch der traditionellen Ikonographie bediente: die Figuren Chronos, Diogenes und Herkules spielten beispielsweise ebenso eine Rolle wie die Metaphern Blitz und Landkarte, Ruine und Waage.

Sowohl intern wie mit den Nachbarmedien vielfältig vernetzt, führte die revolutionsbedingte Bildpublizistik eine permanente Debatte über Despotismus und Freiheit, Dekadenz und Regeneration, Königtum und Republik. Einprägsame Vorlagen wurden ganz oder in Ausschnitten nicht nur kopiert und medial etwa auf Tabatieren und Fächern, Porzellan und Medaillen verbreitet, sondern auch in anderen Zusammenhängen wörtlich zitiert, kreativ adaptiert, überboten oder absichtsvoll verzerrt. Diese Wechselspiele zwischen den Bildern überschritten in den 1790er Jahren die Grenzen Frankreichs und entwickelten sich im 19. Jahrhundert europaweit zu einem kollektiven Diskurs mit spezifischer Semantik und Syntax weiter, immer wieder stimuliert und aktualisiert von den revolutionären Bewegungen der Jahre 1830, 1848/49 und 1870/71.

Ziel des Forschungsprojekts

Ziel eines Forschungsprojekts unter der Leitung von Prof. Dr. Rolf Reichardt ist es, die politische Bildsprache jener Zeit erstmals systematisch in Form eines ikonographischen Nachschlagewerks zu erschließen und zusammenfassend darzustellen. Ausgehend von einem historisch-mediengeschichtlichen Ansatz soll mit der im Druck vervielfältigten Gebrauchsgraphik eine Quelle vergleichsweise großer sozialer Reichweite dargestellt werden. Grundlage ist ein Fundus von über 10.000 Bildflugblättern und Presse-Illustrationen, die aus 40 graphischen Sammlungen zusammengetragen, in einer öffentlich zugänglichen Online-Bilddatenbank gespeichert und mit Motiv-Schlagworten versehen wurden (http://prometheus.uni-koeln.de/pandora/source/open_access). Der Kreis der 70 Autoren, die ihre Artikel ausgehend vom Corpus dieser Datenbank erstellen, ist international und interdisziplinär zusammengestellt und besteht aus Historikern, Kunsthistorikern, Kulturwissenschaftlern, Philologen und Pressehistorikern. Unter Anwendung fachhistorischer sowie kunst- und mediengeschichtlicher Ansätze möchte das geplante „Lexikon der Revolutions-Ikonographie in der europäischen Druckgraphik“ systematisch eine von der Französischen Revolution geprägte neue politische Bildsprache erschließen, die europäische Geltung erlangte, sich im 19. Jahrhundert verbreitete und weiter entwickelte, dann aber schrittweise von der Entfaltung der Nationalstaaten verdrängt wurde. Das aus 130 Artikeln bestehende Handbuch verspricht darüber hinaus einen grundlegenden Beitrag zur Ausbildung einer interdisziplinären „Historischen Bildwissenschaft“ zu leisten.

Das Bildmotiv

Das diskriminierende Bildmotiv des infantilen Herrchens im Laufställchen wird 1791 für Ludwig XVI. geprägt, 1827 auf den englischen König Georg IV. und auf Kaiser Napoleon III. übertragen.

Fördermaßnahmen

Die Gerda Henkel Stiftung unterstützt das Forschungsprojekt für 18 Monate durch die Gewährung von Fördermitteln zur Übernahme von Personal- und Sachkosten.

Dieses Projekt wurde im April 2014 dokumentiert.