Dokumentation zu diesem Projekt

Die Südostnekropole von Pergamon. Archäologisch-anthropologische Untersuchungen zur Sepulkralkultur und zur Bevölkerungsstruktur einer römischen Metropole

Einführung

Das griechische und römische Bestattungswesen mit seinen zahlreichen gattungsbedingten und regionalen Ausprägungen zählt zu den Schlüsselthemen der Klassischen Archäologie und ihrer benachbarten Disziplinen. Aufgrund der reichen materiellen, bildlichen, epigraphischen und schriftlichen Überlieferung eröffnen sich vielfältige Ansatzpunkte für Untersuchungen unter anderem in den Bereichen Sozial-, Kultur- und Mentalitätsgeschichte, Anthropologie und Religionsgeschichte. Gräber und Nekropolen finden sich im Umfeld aller antiken Städte und liefern wichtige Informationen für die Rekonstruktion von Bestattungssitten und Jenseitsvorstellungen, die Sozialstruktur der Städte, die Lebensverhältnisse ihrer Bewohner und ihre Kontakte zu benachbarten Regionen.

Eine in dieser Hinsicht besonders interessante und zugleich äußerst komplexe Region bildet Kleinasien. Bereits in vorhellenistischer Zeit traten an dessen Westküste indigene Kulturen und griechische Küstenstädte in einen vielschichtigen Austausch, der im Verlauf des Hellenismus und schließlich unter römischer Oberherrschaft neue Impulse erfuhr. Einer der zentralen Orte in dieser Entwicklung ist ab dem frühen Hellenismus Pergamon nahe der Stadt Bergama in der heutigen Westtürkei. Zunächst Hauptstadt des Attalidenreichs, entwickelte sich Pergamon zu einem der Hauptzentren der römischen Provinz Asia. Obwohl Kleinasien zu den Kerngebieten antiker Stadtkultur zählt, gehört die Erforschung der Sepulkralkultur dieser Region aber noch immer zu den großen Desideraten der Archäologie.

Das Forschungsprojekt

Im Mittelpunkt eines Forschungsprojekts unter der Leitung von Prof. Dr. Felix Pirson steht die Südostnekropole von Pergamon oberhalb des Ketios-Tales. Das Projekt ist eingebunden in das seit 2005 laufende neue Forschungsprogramm der Pergamongrabung des Deutschen Archäologischen Instituts. Nachdem sich die Wissenschaftler zunächst auf die 2010 aufgefundene Nordnekropole konzentriert hatten, stellte sich bald heraus, dass es sich dabei nicht um einen antiken, sondern um einen byzantinischen Friedhof handelt. Die Grabungsarbeiten wurden daher in die 2007 entdeckte und teilweise freigelegte kaiserzeitliche Südostnekropole verlagert, die zuvor aufgrund der ungeklärten Ausdehnung nicht für eine genauere Erforschung vorgesehen war. Sie besteht aus mehreren Grabbauten, die von einzelnen Körper- und Brandgräbern umgeben sind. Im Inneren der Grabbauten befinden sich bis zu drei gemauerte Grablegen, die mit Flachziegeln oder Steinplatten abgedeckt waren und für Mehrfachbestattungen genutzt wurden. Bei jeder neuen Bestattung wurde das Grab geöffnet, und die älteren Gebeine wurden beiseitegeschoben. Zudem wurden die Gräber schon in der Antike und im Mittelalter geplündert, und die Lage der Skelette wurde gestört. Anhand der Funde können die Gräber hauptsächlich in das erste und zweite Jahrhundert n. Chr. datiert werden. Die Untersuchung der menschlichen Skelette hat bislang ergeben, dass die Bevölkerung in römischer Zeit unter anderem an Gelenkerkrankungen, chronischen Entzündungen der Nasennebenhöhlen und Zahnerkrankungen litt. Zahlreiche Kindergräber belegen außerdem die höhere Kindersterblichkeit.

Die bislang im Rahmen des Projekts erzielten Ergebnisse verdeutlichen, dass der Erforschung der Südostnekropole eine Schlüsselstellung bei der sozialhistorischen und architekturgeschichtlichen Bewertung des römischen Bestattungswesens in Pergamon zukommt. Die Wissenschaftler fühlen sich dabei einer ganzheitlichen Betrachtungsweise verpflichtet, bei der neben der eigentlichen Grabarchitektur oder einzelnen sepulkralen Ausstattungselementen auch den Bestattungen selbst, den Beigabensitten oder den am Grab feststellbaren Begräbnisritualen und post-funerären Vorgängen besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Da derartige Untersuchungen nicht nur für Pergamon, sondern für nahezu alle antiken Zentren Kleinasiens fehlen, verspricht der Erkenntnisgewinn über Pergamon hinaus zu reichen und der Erforschung der städtischen Sepulkralkultur in Kleinasien wichtiges Vergleichsmaterial und methodische Impulse zu geben.

Fördermaßnahmen

Die Gerda Henkel Stiftung unterstützte das Forschungsprojekt durch die Gewährung von Fördermitteln zur Übernahme von Kosten für eine Grabungskampagne in Pergamon im Jahr 2011. Im Berichtsjahr wurden erneut Fördermittel zur Übernahme von Kosten für zwei weitere Kampagnen in den Jahren 2013 und 2014 sowie Personalmittel für zwei Forschungsstipendien für die mit der Aufarbeitung der Ergebnisse betrauten wissenschaftlichen Mitarbeiter Dr. Ute Kelp und PD Dr. Wolf-Rüdiger Teegen zur Verfügung gestellt.

Das Projekt im Film

Die abschließende Grabungskampagne des DAI in Pergamon im Jahr 2014 soll für einen Beitrag im Wissenschaftsportal L.I.S.A. der Gerda Henkel Stiftung filmisch dokumentiert werden.

Dieses Projekt wurde im April 2014 dokumentiert.