Dokumentation zu diesem Projekt

Fritz Bauer: Vorträge, Interviews und Gespräche. Radiobeiträge von und mit Fritz Bauer zwischen 1955 und 1968

Einführung

Fritz Bauer (1903–1968) gehört zu den bedeutendsten und juristisch einflussreichsten jüdischen Remigranten der Bundesrepublik Deutschland. Bauer emigrierte 1936 nach Dänemark und floh 1943 weiter nach Schweden. 1949 kehrte er nach Deutschland zurück und widmete sich dem Wiederaufbau des Rechtssystems. 1956 wurde Fritz Bauer zum Generalstaatsanwalt des Landes Hessen in Frankfurt am Main berufen. In dieser Funktion initiierte er die Frankfurter Auschwitz-Prozesse (1963–1968) und viele weitere Fälle der Verfolgung von NS-Verbrechen, etwa die Eröffnung eines letztlich gescheiterten Ermittlungsverfahrens gegen den CDU-Staatssekretär Hans Globke und das nach seinem Tode eingestellte Verfahren gegen Spitzenjuristen des NS-Regimes, die die Morde an Insassen von Heil- und Pflegeanstalten juristisch gedeckt hatten.

Fritz Bauer sah den Gerichtssaal als öffentlichen Ort, an dem historische Aufklärung betrieben und drängende gesellschaftliche Fragen thematisiert werden konnten. Seine eigene Aufgabe begriff er dementsprechend als die eines politisch Handelnden. Insbesondere die Strafprozesse wegen NS-Verbrechen sollten in der Bevölkerung eine größere Bekanntheit erhalten und über die Verbrechen aufklären. Aber auch die anstehende Strafrechtsreform sowie die Resozialisierung im Strafvollzug waren Themen, die er öffentlich diskutieren wollte. Unermüdlich hielt Bauer Vorträge und Reden, schrieb Aufsätze für Zeitschriften und Tageszeitungen und trat als Gast in Gesprächsrunden in Fernsehen und Radio auf. In den 50er und 60er Jahren der Bundesrepublik war es noch ungewöhnlicher als heute, dass ein Generalstaatsanwalt die Öffentlichkeit suchte, für Zeitungen schrieb und vor Schülern oder Gefangenen Vorträge hielt.

Vor allem das bis in die 1960er Jahre meist genutzte Medium Radio half Fritz Bauer, eine breite Öffentlichkeit zu erreichen. Seine Reden, Vorträge und Diskussionsteilnahmen im Hörfunk sind jedoch bislang fast unbekannt. Lediglich kurze Sequenzen sind in neuere dokumentarische und wissenschaftliche Arbeiten eingegangen, keiner dieser Beiträge steht zurzeit öffentlich zur Verfügung. Ziel eines Forschungsprojekts des Fritz Bauer Instituts unter der kommissarischen Leitung von Prof. Dr. Werner Konitzer ist es, eine Auswahl aus insgesamt ca. 700 Minuten Audio-Aufnahmen zusammenzustellen, sie mit einführenden Texten in einen historischen Zusammenhang zu stellen und auf einer Audio-DVD zu veröffentlichen.

Das Projekt ergänzt zwei ebenfalls am Fritz Bauer Institut angesiedelte und von der Gerda Henkel Stiftung seit 2014 geförderte Editionen der Aufsätze und Fernsehauftritte Fritz Bauers. In seinen Schriften, darunter mehrere Bücher, Aufsätze, und Zeitungsartikel sowie Interviews, reflektierte Bauer die geistige und politische Lage der Bundesrepublik in der Nachkriegszeit sowie seine Wirkungsmöglichkeiten als Staatsanwalt bei der Verfolgung nationalsozialistischer Verbrechen und formulierte ein kriminalpolitisches Programm, in welchem er Ziel und Zweck des Strafrechts grundlegend in Frage stellte. Die geplante Aufsatz-Edition beleuchtet die bisher wenig erforschten Jahre von Bauers früher Berufstätigkeit und politischen Arbeit in Stuttgart sowie seine Veröffentlichungen in den Jahren der Emigration in Dänemark und Schweden. Dazu kommen seine Schriften nach der Remigration 1949, die erstmals systematisch erforscht werden. Das Filmmaterial schließlich gibt Einblick in Aussagen Bauers zu den NS-Verbrechen, dem Eichmann-Prozess, dem Auschwitz-Prozess sowie zu seiner eigenen Biographie. Aus diesem inzwischen abgeschlossenen Teilprojekt ging die DVD „Fritz Bauer. Gespräche, Interviews und Reden. Aus den Fernseharchiven 1961–1968“ hervor, die im Rahmen der Ausstellung „Fritz Bauer. Der Staatsanwalt“ im Jüdischen Museum Frankfurt im Jahr 2014 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.

Fritz Bauer bezog in seinen Schriften, Radio- und Fernsehbeiträgen oft für seine Zeit ungewöhnliche Positionen. Zugleich belegen die Dokumente, wie verwoben sein Denken mit dem der damaligen Zeit war. Sie gewähren einen Einblick in grundlegende Diskussionen der frühen Bundesrepublik und zeigen, wie sich Bauer als Jurist, Remigrant, jüdischer Intellektueller und Sozialdemokrat einmischte und Gehör verschaffte. Seine besonders eindringliche Sprechweise, sein Duktus und sein unbedingter Aufklärungswille kommen vor allem in den Hör- und Fernsehdokumenten zu Geltung. Die geplanten Editionen bieten zum einen der zeithistorischen Forschung wichtige und prägnante Aussagen zu den Kernanliegen Fritz Bauers und machen zum anderen die politischen Ansichten sowie den Aufklärungswillen des hessischen Generalstaatsanwalts unmittelbar erfahrbar.

Fördermaßnahmen

Die Gerda Henkel Stiftung unterstützt das Forschungsprojekt durch die Gewährung von Personal-, Reise- und Sachkosten.

Projektleitung

Prof. Dr. Werner Konitzer, Fritz Bauer-Institut - Studien und Dokumentationszentrum zur Geschichte und Wirkung des Holocaust, Frankfurt am Main

Bildnachweise

Abb. 1–3: Fritz-Bauer-Institut, Frankfurt am Main

Abb. 4: Institut für Stadtgeschichte, Frankfurt/Main, ISG_S7FR_5722, Fotograf: NN

Dieses Projekt wurde im März 2017 dokumentiert.