Dokumentation zu diesem Projekt

Nur Dekor? Die abbasidischen Stuckarbeiten von Samarra. Vergleichende transregionale, material- und medienübergreifende Analyse

Einführung

Stuck gehört zu den am meisten verbreiteten Baudekoren der islamischen Welt. Der oft reich verzierte Dekor, dessen Ornament bis heute einen bedeutenden Stellenwert in der islamischen Kunstgeschichte hat, ist in der Forschung bislang überwiegend aus kunsthistorisch-orientalischer Perspektive betrachtet worden. Einen wesentlichen Beitrag zur Ornamentik des Stucks leistete der deutsche Kunsthistoriker und Archäologe Ernst Herzfeld (1879–1948). Seine Grabungen der Jahre 1911 bis 1913 in der abbasidischen Kalifenstadt Samarra (neuntes Jahrhundert, heute Irak) und seine 1923 erschienene umfangreiche Publikation zum ornamentierten Stuck gelten als Geburtsstunde der islamischen Kunstgeschichte und Archäologie und etablierten das Fach als eigenen Wissenschaftszweig. Das Ornament des Samarra-typischen Stils wird seither als charakteristisches Element der islamischen Kunst betrachtet.

Herzfelds ornamentbasierte Sichtweise spiegelt zwar anschaulich den damaligen Kunstdiskurs wider, seine Pionierarbeit ist inzwischen aber differenzierter zu betrachten. Das seinerzeit bekannte Stuck-Corpus von Samarra hat sich im Laufe der letzten einhundert Jahre deutlich vergrößert. Irakische Ausgrabungen in Samarra zwischen den 1930er und 1980er Jahren haben zahlreiche weitere Häuser mit Stuckdekorationen freigelegt, von denen einige über den Kunsthandel in Museen gelangt sind. Darüber hinaus bieten neue naturwissenschaftliche Analysen die Möglichkeit, zu wichtigen Erkenntnissen etwa über die Zusammensetzung des Materials und Farbpigmente zu gelangen.

Simone Struth möchte in ihrer Dissertation erstmals systematisch den heute bekannten Bestand an Stuck-Arbeiten aus Samarra untersuchen und das bislang ästhetisch autonom betrachtete Ornament in einen größeren, kulturübergreifenden Kontext einbetten. Leitfragen beziehen sich auf Material, Herstellungstechniken und Bemalung oder Wirkung des Baudekors. Frau Struth wird zum einen Design und Technik innerhalb der Gruppe der Stuckarbeiten aus Samarra untersuchen und diese zum anderen mit Objekten außerhalb der Kalifenstadt vergleichen. Das Abbasidenreich erstreckte sich über Nordafrika bis ins westliche Zentralasien und wies neben Samarra viele andere Zentren mit ausgeprägtem Stuckdekor auf, wie etwa Kairo, Susa, Raqqa/Kharab Sayyar oder Balkh. Ergänzend sollen auch zeitgenössische Illustrationen und literarische Quellen arabischer Gelehrter und Philosophen mit Blick auf ein frühislamisches Verständnis von Ästhetik berücksichtigt werden.

Das an der Schnittstelle zwischen Kunstgeschichte, Archäologie, Architektur, Literatur und Philosophie angesiedelte Dissertationsvorhaben verspricht zum einen facettenreiche Informationen über den Stuck aus Samarra, zum anderen eine neue Einordnung der bislang ausschließlich stilistisch und ästhetisch kategorisierten Arbeiten. Erste Erkenntnisse weichen bereits von Herzfelds Thesen ab: In Samarra existierten alle drei Stile gleichzeitig, die Werke wurden auf unterschiedliche Art und Weise ausgeführt, und einige Stucke waren bemalt. Ziel der geplanten Studie ist es, mit Hilfe naturwissenschaftlicher wie vergleichender Analysen bezüglich Design, Technik und Funktionalität eine neue Konstellation und Interpretation sowie einen materialübergreifenden und transregionalen Vergleich der reliefierten Stuckarbeiten frühislamischer Zeit vorzulegen.

Fördermaßnahmen

Die Gerda Henkel Stiftung unterstützt das Dissertationsvorhaben durch die Gewährung eines Promotionsstipendiums und die Übernahme von Reise- und Sachkosten.

Stipendiatin

Simone Struth, Bamberg

Bildnachweise

Abb. 1: Museum für Islamische Kunst, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Foto: Ernst Herzfeld, Samarra 1911–13

Abb. 2: Museum für Islamische Kunst, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz; 3D-Scan: Arie Kai-Browne

Abb. 3: Museum für Islamische Kunst, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Foto: Ernst Herzfeld, Samarra 1911–13

Abb. 4: Museum für Islamische Kunst, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz

Dieses Projekt wurde im März 2017 dokumentiert.