Documentation of this project

Palestinian Refugees’ Strategies of Conflict Resolution: Reconciling Citizenship Rights and Return

Einführung

Die Sozialanthropologin Dr. Ruba Salih und die Nahostwissenschaftlerin Dr. Sophie Richter-Devroe beschäftigen sich im Rahmen ihres Forschungsprojekts mit dem Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge. Dabei konzentrieren sie sich auf die Frage, wie palästinensische Flüchtlinge im Westjordanland, in Jordanien und im Libanon ihre Forderung nach einem Recht auf Rückkehr nach Palästina / Israel mit Strategien zur Stärkung ihrer Position im jeweiligen Gastland verbinden. Obwohl die Lage der palästinensischen Flüchtlinge im israelisch-palästinensischen Konflikt eine ganz zentrale Rolle spielt, wurde ihr in den politischen Verhandlungen der letzten Jahre nur wenig Aufmerksamkeit gewidmet, und keiner der beteiligten traditionellen politischen Akteure konnte bislang eine Lösung für die Flüchtlingsfrage finden.

Flüchtlingsgemeinschaften werden generell oft als irrelevant oder sogar problematisch für Konfliktlösungen angesehen, und zwar sowohl aus dem politischen Blickwinkel der Gast- als auch der Heimatländer. Ihnen wird vorgeworfen, an utopischen Lösungen festzuhalten und pragmatische Ansätze abzulehnen. Dr. Salih und Dr. Richter-Devroe setzen dieser Wahrnehmung die These entgegen, dass Flüchtlinge bei genauerer Betrachtung weder passive Opfer geopolitischer Interessen noch hilflose Empfänger von Entwicklungshilfe oder gar destruktive politische Kräfte sind, sondern vielmehr wichtige politische Akteure mit entscheidendem Potenzial für die Lösung von Konflikten. Ihre Agenden enthalten oft zukunftsorientierte, progressive Vorschläge, und die von ihnen entwickelten Institutionen und neu gestalteten sozialen, ökonomischen und politischen Strukturen bringen meist kreative Lösungsansätze hervor. Flüchtlinge können daher als politische Avantgarde gesehen werden, die ihre Rechte im Gastland mit dem Rückkehrrecht in ihre Herkunftsdörfer und -orte (weitgehend im heutigen Israel) verbindet und dabei zwischen ihrer Weigerung, sich zu assimilieren, und ihrem Wunsch nach Partizipation abzuwägen weiß. Indem die palästinensischen Flüchtlinge neue politische Strategien entwickeln, wehren sie sich zum einen gegen die Vernachlässigung ihrer Interessen, Ansprüche und Bedürfnisse durch die eigene (palästinensische) nationale Führung, zum anderen aber auch gegen die stark ausschließenden Praktiken und Konzeptionen von Staatsbürgerschaft, die seitens der Gastländer bestehen.

Da die palästinensischen Flüchtlinge ihre Position im Gastland und im Heimatland ständig neu verhandeln müssen, entwickeln sie innovative Vorschläge und schaffen sowohl innerhalb als auch außerhalb der Flüchtlings-Camps neue politische Institutionen und Strukturen. Diese agieren oft als Opposition zum bzw. als Ersatz für den Staat oder auch andere Obrigkeiten, etwa die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO), die UN Relief and Work Agency (UNRWA), die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) sowie kleinere lokale Camp-Organisationen. Vor allem im Libanon, aber auch im Westjordanland und in Jordanien haben palästinensische Flüchtlinge in den letzten Jahren verstärkt Organisationen zur Selbsthilfe gegründet, die auf Familien- und Nachbarschaftszusammenhängen, einem gemeinsamen Herkunftsort und politischen oder religiösen Bindungen basieren. Diese Organisationen sind eine große Herausforderung sowohl für die UNRWA und das internationale Entwicklungshilfesystem als auch für palästinensische politische Parteien und Führungsorganisationen sowie für die Regierungen der Gastländer, da sie die Notwendigkeit und somit auch die Existenzberechtigung dieser Einrichtungen in Frage stellen. Die palästinensischen Flüchtlinge werden dabei als wichtige Akteure im Prozess der Konfliktlösung gesehen, die in politischen Verhandlungen mit Repräsentationsinstanzen sowohl des Gast- als auch des Heimatlandes stehen und ihre Rechte »hier« (d. h. im Gastland) und ihr Rückkehrrecht nach »dort« (d. h. ins Heimatland) fordern. Da sie auf diese Weise zweifach in das Konfliktmanagement und das Erarbeiten von Lösungsprozessen eingebunden sind, müssen sie umso kreativer in ihren Ansätzen, Vorschlägen und Narrativen sein.

Basierend auf klassischen sozialanthropologischen Methoden (ca. 60 Interviews mit palästinensischen Flüchtlingen in Flüchtlingslagern in Jordanien, im Libanon und im Westjordanland) möchten Dr. Salih und Dr. Richter-Devroe die politischen Ansätze, Vorschläge und Narrative der Flüchtlinge selbst erforschen und dabei insbesondere auf physische und symbolische Formen von Rückkehr, transnationale Praktiken und staatsbürgerliche Strategien in den Gastländern Bezug nehmen. Ausgehend von der Annahme, dass die palästinensischen Flüchtlinge nicht dem klassischen stereotypen Image als marginale Subjekte entsprechen, sondern aktiv in das Konfliktmanagement involviert sind, sollen diese sowohl als Protagonisten neuer Formen von politischer Mobilisation als auch als Vorreiter innovativer, nicht-territorialer Konzeptualisierungen und Praktiken von Staatsbürgerschaft und Nationalstaat betrachtet werden. Dies stellt insbesondere auch das klassische politikwissenschaftliche Verständnis in Frage, dass Rechte ausschließlich im eigenen nationalen Territorium erlangt werden können. In diesem Zusammenhang erweisen sich die palästinensischen Flüchtlinge als progressive politische Akteure, die die Bedeutung »des Politischen« auf kreative, praxisbezogene Art neu definieren.

Fördermaßnahmen

Die Gerda Henkel Stiftung unterstützt das Forschungsprojekt durch die Gewährung von zwei Forschungsstipendien für die Projektleiterinnen sowie die Übernahme von Reisekosten und Kosten für die Durchführung einer wissenschaftlichen Konferenz.

Projektleitung

Dr. Ruba Salih
University of London, School of Oriental and African Studies

Dr. Dophie Richter-Devroe
University of Exeter, Institute of Arab and Islamic Studies

Dieses Projekt wurde im März 2013 dokumentiert.