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Religion und Moderne in den USA: Psychologie und Lebenswissenschaften an evangelikalen Colleges seit der Mitte des 20. Jahrhunderts

Wheaton College, Wheaton (Illinois)

Einführung

Die politische und kulturelle Bedeutung konservativ-protestantischer Kreise in den USA ist seit den 1980er Jahren ein öffentlich und zunehmend wissenschaftlich viel diskutiertes Thema. Dabei ist eines der wesentlichen Charakteristika, das den New Evangelicals im öffentlichen und wissenschaftlichen Diskurs zugeschrieben wird, ihr Antiintellektualismus. Trotzdem zeichnete sich die Entwicklung der evangelikalen Hochschulen seit dem Zweiten Weltkrieg vor allem durch ihr Bemühen um Verwissenschaftlichung aus. Dieser Kontrast ist Ausgangspunkt des Forschungsprojektes der Historikerin Dr. Stefanie Coché. Die von ihr geleitete Forschungsgruppe untersucht lebenswissenschaftliche und psychologische Studiengänge an evangelikalen Colleges in den USA seit der Mitte des 20. Jahrhunderts mit besonderem Blick auf das komplexe Verhältnis zwischen Religion, Wissenschaft und Fragen der Lebensführung. Ziel des Vorhabens ist es, neue Erkenntnisse darüber zu gewinnen, ob die New Evangelicals als wissenschaftsfeindlich und antiintellektuell zu verstehen sind oder inwiefern sie sich „säkulare“ Wissenschaftsfelder aneignen. Etwa seit den 1940er Jahren begannen evangelikale Colleges sich zu professionalisieren. Im Streben nach Akkreditierung im Hochschulbereich boten sie ein breites Studienangebot an und etablierten Studienabschlüsse, die wissenschaftliche und gesellschaftliche Akzeptanz fanden. Obwohl evangelikale Colleges auf diese Weise zu einem integralen Bestandteil der amerikanischen Hochschullandschaft wurden, wie das Fuller Theological Seminary und das Wheaton College, unterscheiden sie sich bis heute von anderen Colleges und Universitäten. Ihr Alleinstellungsmerkmal besteht darin, ausschließlich Lehre und Forschung zu betreiben, die auf einem wörtlichen Bibelverständnis basieren. Vor diesem Hintergrund erscheint insbesondere die Ausbildung in den Bereichen Gesundheitswesen und Biowissenschaften problematisch: An evangelikalen Colleges treffen in lebenswissenschaftlichen und psychologischen Studiengängen miteinander konkurrierende (natur-)wissenschaftliche und religiöse Menschenbilder, Körperkonzepte, biologische Annahmen und ethische Vorstellungen unmittelbar aufeinander. Der Projektverbund um Dr. Coché fragt in zwei Teilprojekten, wie zum einen lebenswissenschaftliche Studiengänge, also Biologie und Medizin, und zum anderen psychologische Studiengänge an evangelikalen Colleges etabliert, finanziert, akkreditiert, beworben, wissenschaftlich konzipiert und gelehrt wurden, und was dies auf einer übergeordneten Ebene für das Verhältnis von Moderne und Religion in den USA aussagt. Dabei greift die Forschungsgruppe auf Akkreditierungsakten, Jahresberichte, Protokolle sowie Nachweise über Diskussionen, Finanzierungen, Lehrinhalte und Zulassungen zurück.

Der Forschungsverbund arbeitet entlang der Schnittstelle von Religions-, Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte. Im Kontext neuerer Bemühungen, die Geschichte der Hochschullehre und der Wissenschaften in größere gesellschaftsgeschichtliche Fragestellungen einzubetten, strebt Dr. Coché in diesem Vorhaben an, die religiösen Perspektiven evangelikaler Colleges auf die Gesellschaft als geschichtswissenschaftlichen Analysegegenstand zu eröffnen und das Spannungsfeld Moderne und Religion multiperspektivisch auszuloten.

Billy Graham Center, Wheaton (Illinois)

Projektleitung

Dr. Stefanie Coché

Fördermaßnahmen

Die Gerda Henkel Stiftung unterstützt das Projekt durch die Gewährung von zwei Promotionsstipendien sowie die Übernahme von Reise- und Sachkosten.

Dieses Projekt wurde im Mai 2020 dokumentiert.