Flucht und der Umgang mit Geflüchteten stehen derzeit im Mittelpunkt vieler politischer, gesellschaftlicher und wissenschaftlicher Debatten. Dabei ist Flucht weder auf einzelne Regionen noch auf gegenwärtige Entwicklungen begrenzt. Vielmehr handelt es sich um ein globales Phänomen, das Menschen seit jeher prägt. Vielfältige Gefahren wie gewaltsame Konflikte und Kriege, Verfolgung, Diskriminierung, Armut, Klima- und Umweltveränderungen können Motive für das Verlassen von Herkunftsorten sein.
Während Flucht in der angelsächsischen Forschung bereits seit den 1980er Jahren intensiv untersucht wird, wächst die Aufmerksamkeit in vielen europäischen Wissenschaftslandschaften jüngst deutlich. Auch in afrikanischen, asiatischen, australischen und lateinamerikanischen Forschungsräumen nehmen entsprechende Analysen zu. Doch bis dato erfolgen Zugänge fragmentiert und es bestehen diverse thematische Leerstellen, methodische Defizite und limitierte globale Verlinkungen. Folglich bedarf es einer Verstärkung der Grundlagenforschung und des weiteren Ausbaus des interdisziplinären Felds der Fluchtforschung.
Die Gerda Henkel Stiftung nimmt diese Ausgangslage zum Anlass, um mit dem Sonderprogramm „Flucht“ an die vielversprechenden Ansätze und Entwicklungen weltweiter Forschungen anzuknüpfen und gleichwohl auf die vorhandenen Desiderate der Forschungslandschaften zu reagieren. Durch das Sonderprogramm sollen insbesondere international ausgerichtete, multiperspektivische wissenschaftliche Vorhaben über Flucht unterstützt werden, die Fragen in den Blick nehmen, die in der einschlägigen Forschung bislang weniger beachtet worden sind. Dabei geht es auch um die Verbindung von theoretischer Grundlagenforschung und Konzepten, die für die gesellschaftliche, humanitäre und politische Praxis Bedeutung haben.
Die Stiftung begrüßt Forschungsvorhaben, die multidisziplinäre Ansätze verfolgen. Auch interregionale oder zeitübergreifende Vergleichsebenen sollten Berücksichtigung finden. Erstrebenswert sind zudem Vorhaben, die intersektionale Perspektiven und Fragestellungen einbeziehen. Je nach Forschungsansatz und Möglichkeit ist die Kooperation mit lokalen Wissensproduzentinnen und -produzenten (Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Akteuren der Zivilgesellschaft) oder von Flucht betroffenen Menschen in den Herkunfts- und Aufnahmestaaten insbesondere in Ländern im „Globalen Süden“ wünschenswert.
Die Stiftung erwartet, dass die Antragstellerinnen und Antragsteller sich mit ethischen Implikationen ihrer Arbeit auseinandersetzen und Pläne für die Verbreitung ihrer Forschungsergebnisse entwickeln – auch hinsichtlich einer Ansprache gesellschaftlicher, humanitärer oder politischer Akteure oder der nicht-fachbezogenen medialen Öffentlichkeit.
Das Sonderprogramm wendet sich an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler diverser Disziplinen in den Geistes-, Sozial-, Kultur-, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften. Beantragt werden können Mittel für Forschungsstipendien und zur Durchführung von Forschungsprojekten. Promotionsstipendien werden im Rahmen des Sonderprogramms nur bei Einbindung in einem Forschungsprojekt gewährt.
Über die Anträge entscheidet das Kuratorium der Gerda Henkel Stiftung auf der Grundlage einer Empfehlung von internationalen Fachgutachtern/innen.
Internationale Fachgutachter/innen
Prof. Dr. Andreas Eckert | Berlin (Amt ruht bis auf Weiteres.)
Prof. Dr. Tamirace Fakhoury | Kopenhagen
Prof. Dr. Maja Janmyr | Oslo
Prof. Dr. Ulrike Krause | Osnabrück
Prof. Dr. Naohiko Omata | Oxford