Dokumentation zu diesem Projekt

Seemännischer Ungehorsam in der Frühen Neuzeit – das Beispiel der Royal Navy in den Jahren 1669–1745

Einführung

Kriegsschiffe des 17. und 18. Jahrhunderts stellten mit ihren turmhohen Masten, geblähten Segeln und üppigen Verzierungen eindrucksvolle Kampfmaschinen dar. Doch wie lebte es sich auf und unter Deck? Wie funktionierte die Herrschaft hochwohlmögender Kapitäne wie Robert Harland über hunderte von Seeleuten, die in drangvoller Enge in einer Zwangsgemeinschaft (meist junger) Männer zusammenlebten? Diesen Fragen nähert sich das Forschungsprojekt von Dr. Patrick Schmidt durch eine Untersuchung von Fällen seemännischen Ungehorsams in der englischen, ab 1707 dann britischen Kriegsmarine zwischen 1669 und 1745 an. Erkundet werden die Herausforderungen, vor denen Offiziere im Umgang mit ihren Untergebenen standen sowie die – wahrscheinlich kleinen – Handlungsspielräume der Seeleute gegenüber ihren Vorgesetzten. Idealerweise wird ein Bild alltäglicher Kommunikationsprozesse entstehen, die insofern ‚entgleisten‘, als sie dazu führten, dass Matrosen Offizieren den Befehl verweigerten, sie beschimpften oder gar körperlich attackierten. Dass sie damit schwere Strafen wie Auspeitschung, im Extremfall sogar Hinrichtung riskierten, nahmen sie in solchen Augenblicken in Kauf. Über die tieferliegenden Ursachen kollektiven Ungehorsams an Bord in dieser Zeit sind wir generell gut informiert: Verzögerte Auszahlung des Solds, der zwangsweise Transfer von Seeleuten von einem Schiff auf das nächste, ohne ihnen zuvor Landurlaub zu gewähren, schlechte Qualität der Bordverpflegung, gelegentlich auch tyrannische Kapitäne. Auch Meutereien als spektakuläre Fälle seemännischen Ungehorsams haben in der Forschung bereits einige Beachtung gefunden – hierzu zählen die zahllosen Publikationen zur Meuterei auf der Bounty im Jahr 1789. Meutereien vor diesem zum populären Mythos gewordenen Zwischenfall sind indes bislang nur wenig erforscht worden. Das gilt umso mehr für ‚kleinere‘ Vorfälle, also die Auflehnung einzelner Seeleute oder kleiner Gruppen von Matrosen, wie sie im Mittelpunkt dieses Forschungsprojektes stehen. Sie erscheinen in der Forschungsliteratur zur Royal Navy bislang nur in Studien zur Durchsetzung der Borddisziplin und zur Ahndung von Verstößen gegen diese. Angehörige der Royal Navy wurden vor Kriegsgerichte gestellt, wenn sie im Verdacht standen, schwerwiegende Vergehen begangen zu haben. Die Akten von Kriegsgerichtsverfahren liegen für den Untersuchungszeitraum in großer Zahl vor. Da sie Fälle seemännischen Ungehorsams zum Teil recht detailliert dokumentieren, bilden diese Akten die wichtigste Quellengrundlage für das Forschungsprojekt. Leichtere Vergehen und die wegen ihnen verhängten Strafen wurden lediglich in den Logbüchern vermerkt, die deswegen ebenfalls untersucht werden. Eine dritte Quellengruppe, die in den Blick genommen wird, bilden Briefe von Kapitänen und Admirälen an die Admiralität. Immer wieder warnten die Offiziere in solchen Schreiben vor Meutereien, die drohten, wenn die Admiralität Probleme – etwa solche der Soldauszahlung und Lebensmittelversorgung – nicht rasch in den Griff bekäme.

Die Ergebnisse der Studie sollen in einer Monografie publiziert werden.

Kriegsgerichtsverhandlung gegen Admiral Byng

Fördermaßnahmen

Die Gerda Henkel Stiftung unterstützt das Vorhaben durch die Gewährung eines Forschungsstipendiums.

Stipendiat

PD Dr. Patrick Schmidt, Hamburg

Das Projekt wurde im Mai 2020 dokumentiert.