Dokumentation zu diesem Projekt

Zur Wiedergewinnung altägyptischer Wandmalerei und Reliefdarstellungen. Methoden ägyptologischer Forschung und ihre Auswirkung am Beispiel der Tempelwand in der Grabkammer des Neferhotep, Theben

Einführung

Das Grab des Neferhotep ist eines der größten Privatgräber in der etwa 800 dekorierte Felsgrabanlagen umfassenden Nekropole Thebens. Neferhotep („Schön ist die Gnade“) war oberster Schreiber des Schöpfergottes Amun und verstarb in der Regierungszeit des Pharaos Eje um 1320 v. Chr. Sein Felsengrab (Registriernummer TT49), in dem auch seine Frau Merit-Re bestattet wurde, befindet sich am Fuße des thebanischen Gebirges nahe dem Tal der Könige. Die ebenerdigen Kulträume (Vestibül und Pfeilersaal) sind direkt in den Felshang gearbeitet und reich mit Wandmalereien, farbigen Reliefs und Figuren dekoriert. Zur darunter gelegenen Grabkammer, in der sich die Sarkophage befanden, führt ein undekorierter, grob in den Fels geschlagener Gang. Die bildlichen Darstellungen an den Wänden des Pfeilersaals deuten hauptsächlich auf das diesseitige Leben Neferhoteps hin und inszenieren farbenprächtig die altägyptische Alltagskultur. Als Aufseher der Güter des Amun oblag Neferhotep die Überwachung des Viehs, des Getreides und der Sklaven.

Aufgrund seiner thematischen und künstlerischen Vielfalt nimmt TT49 eine herausragende Stellung in der thebanischen Nekropole ein. Insbesondere die Darstellung des Amuntempels von Karnak war und ist für Ägyptologie und Kunstgeschichte ein bedeutendes Zeugnis der 18. Dynastie.

Von 2005 bis 2010 arbeitete ein von der Stiftung unterstütztes Team unter der Leitung von Prof. Dr. Hans Leisen, Köln, an der Wiederlesbarmachung der Malereien und Hieroglyphen. Durchgeführt wurden die Arbeiten von den auf die Konservierung von Wandmalerei und Objekten aus Stein spezialisierten Kölner Diplomrestauratorinnen Susanne Brinkmann, Birte Graue und Christina Verbeek.

Beschädigungen und Verschmutzungen
Aufgrund von Rußverschwärzungen und Verschmutzungen sind Malerei und Gesteinsoberflächen in weiten Bereichen in ihrer Lesbarkeit stark eingeschränkt und somit für die Forschung unbrauchbar. Für die Schäden sind viele Faktoren verantwortlich, darunter biologische und klimatische Einflüsse, Salzkristallisationen, petrographisch-mineralogische Eigenschaften des Felsgesteins, Feuer und die Nutzung der Grabanlage als Wohnstätte. Des weiteren haben frühere unsachgemäße Reinigungsversuche an den Wandmalereien, wie das Auftragen von Harzen zur Farbvertiefung oder das Auflegen von Folien zum Zwecke der Kopie, zusätzliche Schäden verursacht bzw. die Lesbarkeit weiter eingeschränkt.

Wandmalereien und Reliefdarstellungen

Ziel eines von 2005 bis 2007 von der Gerda Henkel Stiftung geförderten Projekts war es, die teilweise bis zur Unkenntlichkeit verrußten Wandmalereien und Reliefdarstellungen im Grab des Neferhotep wieder sichtbar zu machen. Bereits seit 2000 wird das Grab des Neferhotep im Rahmen des Projekts PROCON TT49 von einem internationalen Wissenschaftlerteam erforscht. Die altägyptischen Wandmalereien und Steinobjekte stellen dabei mit ihren stark rußverschmutzten und gealterten Oberflächen einen besonders hohen Anspruch an die restauratorische und konservatorische Konzeptfindung. Da neben der Entwicklung einer objektspezifischen Methodik das Reinigungsziel exakt definiert werden musste, war ein interdisziplinärer Fachaustausch zwischen Restauratoren, Naturwissenschaftlern, Ägyptologen und Denkmalpflegern notwendig, um alle relevanten Aspekte zum Erhalt der Authentizität des Kunstobjektes zu berücksichtigen. Die Diplomrestauratorinnen Susanne Brinkmann, Birte Graue und Christina Verbeek haben während der zweijährigen Förderzeit in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut für Werkstoff- und Strahltechnik (Dresden) Methoden zur zerstörungsfreien Reinigung der kulturhistorisch bedeutenden Kunstwerke entwickelt. Dabei wurden repräsentativ ausgewählte Texte und Darstellungen in der Grabkammer von aufliegendem Ruß, Schmutz und sonstigen belastenden Substanzen gereinigt. Angewendet wurden sowohl konventionelle chemische und mechanische Techniken als auch die besonders schonende moderne Laserreinigung. Der Einsatz von Lasertechnik wurde von der ägyptischen Antikenverwaltung erstmals genehmigt und ermöglichte es den Restauratorinnen, mit modernster Technologie Pionierarbeit im Bereich der Wiederlesbarmachung altägyptischer Darstellungen zu leisten. Mit der Dokumentation des Bestandes und Zustandes sowie der Entwicklung grundsätzlicher Methoden konnte eine wichtige Basis für die vollständige Dechiffrierung der bedeutenden und kaum mehr lesbaren Darstellungen aus der Grabkammer geschaffen werden. Das Deutsche Archäologische Institut (DAI) Kairo unterstützte das Projekt fachlich, logistisch und organisatorisch.

Der Amuntempel von Karnak

Im Rahmen eines von 2007 bis 2010 von der Stiftung mit Fördermitteln unterstützten Folgeprojekts konzentrierten sich die auf die Konservierung von Wandmalerei und Objekten aus Stein spezialisierten Diplom-Restauratorinnen auf die einzige zeitgenössische Darstellung des Amuntempels von Karnak der 18. Dynastie. Der Darstellung des Tempels mit den davor liegenden Gartenanlagen und einem Verbindungskanal zum Nil ist der rechte obere Bereich an der Nordwand des Hauptsaals gewidmet. Die linke Seite der „Tempelwand“ zeigt in registerartigen Bildfolgen die verschiedenen landwirtschaftlichen Tätigkeiten auf den Landgütern des Amuntempels – dem größten und mächtigsten Tempel im alten Ägypten zu dieser Zeit -, in dem Neferhotep als Oberster Schreiber tätig war. So finden sich Darstellungen zur Papyrus- und Dattelernte, Viehzucht, Weinherstellung, Registrierung der Ernteerzeugnisse und des altägyptischen Bewässerungssystems mit dem Ziehbrunnen. Die Tempelanlage von Karnak ist dabei in ihrer Bauphase zur Zeit des Pharaos Eye dargestellt. Wie nach der Reinigung deutlich erkennbar, weist die detaillierte Darstellung selbst auf die zum Bau verarbeiteten Materialien hin: Die Imitation eines rötlichen Steines an Sanktuarium und Obelisk deutet auf die Verwendung von Rosengranit hin. Der Tempel ist Schauplatz für eine besondere Auszeichnung Neferhoteps: Er wird hier gesalbt und erhält ein Blumenbouquet, welches er vor dem Tempel seiner Gattin Meret Re überreicht. Auch die landwirtschaftliche Situation in der Umgebung des Tempels ist detailliert wiedergegeben: Vor den Toren der Tempelanlage beginnt ein Verbindungskanal zum (östlichen) Nilufer. Der von Segelschiffen befahrene Kanal verbreitert sich vor dem Tempel zu einer Art Se oder Hafen mit Anlegeplätzen für Boote. Die Wasserwege sind gesäumt von liebevoll angelegten Ziergärten.

Aufbauend auf den bislang erzielten Ergebnissen wurde die besonders komplexe, gänzlich differierende Schadenssituation der Tempelwand bearbeitet. Ziel des Projekts war es, die zum Zweck der Wiederlesbarmachung durchgeführten Eingriffe seit Ende des 18. Jahrhunderts exakt zu definieren, ihre Auswirkung auf das Kulturgut zu untersuchen und Möglichkeiten des restauratorischen Umgangs mit den Schäden zu finden. Zur Entwicklung eines Konzepts wurden dabei nicht nur die „modernen“ Materialien, sondern auch die Maltechnik des altägyptischen Künstlers einer genauen Betrachtung unterzogen. Durch Analysen an Mikroproben konnte bereits die gesamte Palette der vom Wandmaler verwendeten Farben erfasst werden. Zur Farbbestimmung und Analyse der verwendeten Bindemittel wurden naturwissenschaftliche Untersuchungen im Labor durchgeführt. Zudem kamen auch in situ mikroskopische und makroskopische Methoden zur Anwendung. Neben den Farben wurden weitere historische Materialien wie Mörtel hinsichtlich ihrer Zusammensetzung und Anwendung dokumentiert, was Rückschlüsse auf ähnliche Grabanlagen vergleichbarer Zeit zulässt.

Das Wirken früherer Forscher
Schon früh übte Ägypten eine besondere Faszination insbesondere auf europäische Abenteurer und Intellektuelle aus. Gerade im 19. Jahrhundert griff eine regelrechte Ägyptomanie um sich, die zu einem regen Zustrom von Reisenden an den Nil führte. Tagebücher, Zeichnungen, Gedichte und Geschichten zeugen neben dem romantisierenden Blick auf das Land der Pharaonen auch von der Sucht nach wertvollen archäologischen Funden. Bislang wurden diese Publikationen jedoch kaum auf die Methoden und Materialien dieser früheren Forscher hin untersucht. Gerade dies ist aber ein wichtiger Aspekt bei der Formulierung einer Systematik im Umgang mit den altägyptischen Grabanlagen Thebens, deren Bestand heute das Ergebnis einer oft wechselhaften Geschichte ist. Oft wurden die Eigenschaften der ursprünglichen Materialien durch frühere Eingriffe verändert, es wurden Fremdsubstanzen eingebracht oder Reinigungsversuche als Vorbereitung der Darstellungen und Texte für Kopien durchgeführt. Die Analyse der Spuren des Wirkens früherer Forscher am Objekt lieferte neue Erkenntnisse über die Geschichte der Ägyptologie sowie der Archäologie selbst.

Im Rahmen des Projekts wurden die Aufzeichnungen von Reisenden und Forschern untersucht, die die Grabkammer des Neferhotep besucht hatten. Bisher unveröffentlichte Tagebücher und Zeichnungen Archiven in London und Oxford wurden ausgewertet, so dass es möglich war, eine Chronologie der Forschungsgeschichte der Grabanlage zu formulieren. Auch eine Datierung der Mumienverbrennung, die zu der nahezu kompletten Verrußung der Grabanlage geführt hatte, war so erstmals möglich.

Ausblick
Das Grab des Neferhotep ist lediglich ein Beispiel in der Nekropole Thebens. Hunderte von teilweise noch unerforschten Grabanlagen warten auf archäologische und restauratorische Erschließung. Aktuelle Bestrebungen der ägyptischen Antikenverwaltung, das gesamte Areal von Wohnhäusern zu bereinigen und als archäologische Zone auszuweisen, legen dafür den Grundstein. Die durch die Erforschung der Grabanlage des Neferhotep erarbeiteten Herangehensweisen und Maßnahmen könnten dabei auch für andere Projekte als Leitbild dienen und eine Grundlage für die denkmalpflegerische Konzeptentwicklung bilden.

Fördermaßnahmen

Die Stiftung unterstützte das Projekt von 2005 bis 2010 durch die Gewährung von Fördermitteln in Höhe von insgesamt rund 200.000 Euro zur Übernahme von Personal-, Reise- und Sachkosten.

Organisation

Projektleitung
Prof. Dr. Hans Leisen
Fachhochschule Köln, Institut für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaft
Vorsitzender Neferhotep e.V.

Projektbearbeitung
Dipl. Rest. Susanne Brinkmann M.A.
Dipl. Rest. Birte Graue
Dipl. Rest. Christina Verbeek

Das interdisziplinäre Projekt wurde initiiert vom Kölner Förderverein Neferhotep e.V.

Das Projekt im Film

Dieses Forschungsvorhaben ist Teil von L.I.S.A.video, dem auf L.I.S.A - Das Wissenschaftsportal der Gerda Henkel Stiftung verankerten Filmprojekt. Insgesamt acht Teams von Wissenschaftlern, die in einem von der Stiftung geförderten Projekt tätig sind, haben ihre Forschungsarbeiten gefilmt. Diese „Filmtagebücher“ wurden professionell verarbeitet und sind in zehn dreiminütigen Episoden im Portal veröffentlicht worden.

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Dieses Projekt wurde zuletzt 2009 dokumentiert.