Dokumentation zu diesem Projekt

Die Akropolis von Vize

Einführung

Im europäischen Teil der Türkei, etwa auf halbem Weg zwischen Istanbul und Edirne, liegt die Provinzstadt Vize (Bizye). Als Vorposten Konstantinopels auf der Balkanhalbinsel und Ausgangspunkt einer wichtigen Wasserleitung war Vize in spätantiker und byzantinischer Zeit von höchster strategischer und militärischer Bedeutung und wird in historischen Quellen entsprechend häufig als Bischofssitz, Ort des Exils, Pilgerziel und byzantinischer Truppenstützpunkt erwähnt. Ausdruck der militärischen und wirtschaftlichen Bedeutung Vizes sind zahlreiche Baudenkmäler aus der spätantiken, byzantinischen und osmanischen Zeit, die sich vor allem im Bereich der Akropolis der Stadt finden. Eine Befestigungsmauer, die vermutlich aus dem 6. Jahrhundert stammt, umschließt mehrere ehemalige Kirchen und Profanbauten. Das bedeutendste Baudenkmal ist die Hagia Sophia, eine byzantinische Kirche, deren Bausubstanz sich trotz zahlreicher Veränderungen und Restaurierungen weitgehend erhalten hat. Die Kirche entstammt vermutlich den so genannten dark ages, einer vergleichsweise wenig erforschten Epoche zwischen dem 7. und 9. Jahrhundert, und ihr Bau weist einen hybriden Charakter auf, der sich als Kombination einer dreischiffigen Basilika mit einer Kreuzkuppelkirche präsentiert.

Obwohl sich zahlreiche kulturhistorisch bedeutsame Baureste auf der Akropolis von Vize erhalten haben, hat eine eingehende Erforschung und Dokumentation der Oberstadt von Vize bislang nicht stattgefunden. In einem Kooperationsprojekt zwischen der Abteilung Istanbul des Deutschen Archäologischen Instituts und der Columbia University in New York haben die Archäologen Prof. Dr. Franz Alto Bauer und Prof. Dr. Holger Klein 2003 begonnen, die bislang kaum erforschte Hagia Sophia bauarchäologisch zu untersuchen. In zwei Vermessungskampagnen in den Jahren 2003 und 2004 wurden Grundrisse, Schnitte, steingerechte Ansichten des Außenbaus sowie eine Dokumentation aller Werkstücke durchgeführt. Die Ergebnisse untermauern die bislang in der Forschungsliteratur nur verhalten geäußerte Datierung in das 9. Jahrhundert. Ferner lieferte die Untersuchung zahlreiche Hinweise auf spätere Baumaßnahmen, etwa die umfassende Instandsetzung des Baus in osmanischer Zeit, als man die Kirche in eine Moschee verwandelte. Darüber hinaus konnte die Existenz eines Vorgängerbaus des vermutlich 6. Jahrhunderts nachgewiesen werden, eine dreischiffige Basilika, die wiederum an die Stelle eines alten dorischen Tempels trat. Noch im Verlauf der Untersuchungen an der Kirche zeichnete sich die Notwendigkeit der weiteren Geländeerkundung, Vermessung und Kartierung der Akropolis von Vize ab.

Im Mittelpunkt eines von der Gerda Henkel Stiftung seit 2010 geförderten Forschungsprojektes unter der Leitung von Prof. Dr. Franz Alto Bauer, jetzt Ludwig-Maximilians-Universität München, und Prof. Dr. Holger Klein, Columbia Universität in New York, steht die Durchführung eines topographischen Surveys der Akropolis von Vize. Innerhalb des Areals, das von der spätantiken Stadtmauer umzogen wird, finden sich zahlreiche Baureste aus der Spätantike, der byzantinischen und osmanischen Zeit, die bislang undokumentiert blieben. Der geplante Survey verspricht nicht nur neue Erkenntnisse zur Siedlungsgeschichte der Stadt im Mittelalter, sondern auch zur Genese und historischen Entwicklung ihrer bislang unerforscht gebliebenen Stadtbefestigung sowie zur „Position“ der Hagia Sophia innerhalb des Stadtgefüges von Vize. Eine Erforschung und Dokumentation der bisher nicht im Zusammenhang analysierten Sakralbauten lässt wichtige Rückschlüsse auf die Entwicklung der sakralen Topographie der Stadt im byzantinischen Mittelalter erwarten. Die günstige topographische und moderne urbanistische Situation erleichtert sowohl die Vermessung und als auch die Autopsie der Befunde. Ein sorgfältiger archäologischer Survey wird daher aller Voraussicht nach zu einem kohärenten Siedlungsbild führen, das Aufschlüsse über die Stadtstruktur von Vize in byzantinischer Zeit gibt, und verspricht darüber hinaus weitere Erkenntnisse über die wenig erforschte Epoche zwischen dem 7. und 9. Jahrhundert.

Fördermaßnahmen

Die Gerda Henkel Stiftung unterstützt das Projekt seit 2010 für zwei Jahre durch die Gewährung von Fördermitteln in Höhe von knapp 73.000 Euro. Darin enthalten sind Mittel für eine halbe Stelle für die Architektin Ayça Beygo, die die Arbeiten vor Ort durchführt, sowie Mittel zur Übernahme von Reise- und Sachkosten.

Das Projekt im Film

Dieses Forschungsvorhaben ist Teil der zweiten Staffel von L.I.S.A.video, dem auf L.I.S.A - Das Wissenschaftsportal der Gerda Henkel Stiftung verankerten Filmprojekt. Insgesamt fünf Teams von Wissenschaftlern, die in einem von der Stiftung geförderten Projekt tätig sind, haben ihre Forschungsarbeiten gefilmt. Fünf „erzählende“ Episoden dokumentieren den Forschungsprozess. Vier weitere Folgen sind jeweils einem Forschergespräch, einem Teamporträt, dem wissenschaftlichen Umfeld und einem relevanten Objekt, dem „Schlüsselstück“, gewidmet. Die Filme wurden episodenweise im Wissenschaftsportal veröffentlicht.

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Dieses Projekt wurde im Herbst 2012 dokumentiert.