Dokumentation zu diesem Projekt

Preserving the History of the Arts of Puppetry in the Arab World

Plakat für die Puppentheateraufführung „Der Junge und der Wolf“. Aus der Sammlung des Palästinensischen Nationaltheaters, Jerusalem 2001

Einführung

Historisch betrachtet war und ist das arabische Puppenspiel, das seine Blüte in der zweiten Hälfte des 20. und im frühen 21. Jahrhundert erlebte, ein einzigartiges kulturelles Medium. Ähnlich wie das Kabarett, agierte es sozialkritisch und zeigte politische Missstände auf, brachte Menschen unterschiedlicher Hintergründe zusammen und stärkte das Gefühl nationaler Zugehörigkeit und Identität. Besonders bekannt ist die ägyptische Marionettenoperette „al-Leila al-Kebira“, die großartige Nacht, die in den 1960er-Jahren debütierte und die Festlichkeiten zu Mawlid, dem Geburtstag des Propheten Muhammad, beschreibt. Jedoch ist in vielen Ländern der Region die Puppenspielkunst heute unterrepräsentiert, sei es aufgrund von politischen und wirtschaftlichen Umbrüchen oder mangelnder finanzieller Zuwendung. In Syrien und dem Irak zum Beispiel wurden Kulturdenkmäler, Theaterhäuser und Museen zerstört oder geplündert und Puppenspieler sowie Theaterbesitzer verfolgt und inhaftiert, wenn sie im Puppenspiel soziale und politische Anliegen diskutierten.

Das Projekt von Mahmoud Al-Hourani und seinem Team der Arab Puppet Theatre Foundation (APTF) in London setzt sich deshalb für den Erhalt der Puppenspielkunst ein. Als etablierte Puppenspielstiftung verfügt die APTF über mehr als ein Jahrzehnt an praktischer Erfahrung in verschiedenen arabischen Ländern sowie über gute Kontakte zu Theaterinstitutionen und bietet spezialisierte Programme für Aufführungen und Kapazitätsaufbau an. Die Initiative zielt darauf ab, das Erbe der Puppenspielkunst durch die Erforschung, Identifizierung, Archivierung und Digitalisierung von Theaterstücken sowie die Restaurierung von Puppen und weiterer Materialien in der gesamten arabischsprachigen Welt zu bewahren. So soll ein authentischer Überblick darüber entstehen, wie das Puppenspiel in der Vergangenheit funktionierte, wie es sich entwickelt und wie es sich im Laufe der Jahre in Bezug sowohl auf die Behandlung sozialer, politischer und ökonomischer Themen als auch auf die verwendeten Aufstellungen, Techniken, Metaphern und Entwürfe verändert hat. Das gesamte Material wird der Öffentlichkeit über eine Online-Plattform in arabischer und englischer Sprache zugänglich gemacht. Dadurch kann es sowohl von interessierten Privatpersonen als auch von institutioneller Seite zu Ausbildungszwecken oder als Informationsquelle über Geschichte und Gegenwart der Puppenspielkunst und ihrer Themen genutzt werden, was als Referenzrahmen von besonderer Bedeutung für Historikerinnen und Historiker ist.
Das Team um Mahmoud Al-Hourani plant eine Kooperation mit dem Kairoer Puppentheater in Ägypten, dem Centre National des Arts de la Marionette in Tunis, Tunesien, und dem Palästinensischen Nationaltheater. Die drei Institutionen entstanden in den 1960er- und 1970er-Jahren und blicken somit auf langjährige Theatererfahrung zurück. Sie ergänzen sich aufgrund unterschiedlicher Fachkenntnisse gegenseitig; so ist das Kairoer Theater auf Marionetten und Handpuppen spezialisiert und verfügt über ein großes Archiv an Videomaterial, da die Aufführungen live im ägyptischen Nationalfernsehen übertragen wurden. In Tunis gründete sich das Theater unmittelbar nach der Unabhängigkeit des Landes und hatte somit einen stark politischen Schwerpunkt. Die Aufführungen schwankten zwischen Unterhaltung, Musicals und der Verherrlichung von Habib Bourguiba, dem Führer der Unabhängigkeitsbewegung und ersten Präsidenten des Landes. Verwendet wurden verschiedene Puppenspielstile – neben Marionetten und Handpuppen auch Schatten- und Straßenpuppen. Das klassische Nationaltheater in Palästina wurde in den 1970er-Jahren eröffnet. Das Archiv des Theaters ist eine einzigartige Quelle für die soziale und politische Geschichte Palästinas und der Palästinenser und Palästinenserinnen von den 1970er- bis zu den 1990er-Jahren. Die Projekte der APTF wurden im Sudan, in Mauretanien, im Jemen, in Tunesien, Ägypten und Syrien durchgeführt, außerdem arbeitete die APTF vor kurzem zum Marionettentheater im Libanon und gab die Publikation mit dem Titel „The Puppet. The Past and Present of Puppet Theatre in Lebanon during the 15-year civil war“ heraus. Diese Erfahrungen in der Region bilden auch die Grundlage für die Erforschung und Dokumentation der historischen Entwicklung des Puppenspiels im geplanten Kulturerhalt-Vorhaben innerhalb des Förderschwerpunkts Patrimonies der Stiftung.

Projektleitung

Mahmoud Al-Hourani

Institution

Arab Puppet Theatre Foundation (APTF), London

Fördermaßnahmen

Die Gerda Henkel Stiftung unterstützt das Vorhaben durch die Übernahme von Personalkosten und gewährt Reise- und Sachmittel.

Das Projekt wurde im Mai 2021 dokumentiert.