Wege der Mönche – Wege der Macht. Mönchische Mobilität und Herrschaftsbildung am Beispiel der Walachei und der Moldau als Knotenpunkte im transimperialen Raum (14.–17. Jahrhundert)

Patriarch Nephon II von Konstantinopel und Neagoe Basarab, Fürst der Walachei; Deckel der Reliquientruhe des Hl. Nephon, vergoldetes Silber; gestiftet von Neagoe Basarab, um 1517.

Im Jahr 1418 nahm der Kiewer Metropolit Gregorios Tsamblak am Konstanzer Konzil teil. Auf seinem Weg hatte der im heutigen Bulgarien geborene Kleriker zwei Imperien und zahlreiche Fürstentümer durchschritten und das nicht nur als Monachós, als einzelner Wanderer, sondern als vernetzter und einflussreicher Akteur. Anhand von vier mönchischen Persönlichkeiten in Südosteuropa vom 14. bis zum 17. Jahrhundert – Nikodemos von Tismana (ca.1320–ca.1406), Gregorios Tsamblak (ca.1364–ca.1435), Nephon II. (ca.1440–1508), Patriarch von Konstantinopel und Makarios III. Zaim (?–1672), Patriarch von Antiochien – erforscht der Historiker PD Dr. Mihai-D. Grigore wandernde mönchische Machtträger.

Warum Mönche? Weil sie aufgrund der Religionspolitik des Byzantinischen Reichs und der benachbarten Herrschaften wie Bulgarien, Serbien und der Donaufürstentümer im Laufe vieler Jahrhunderte dauerhafte Netzwerke entwickelten, die nicht einmal durch den Herrschaftswechsel von einer christlichen zu einer nichtchristlichen Staatlichkeit ins Wanken gebracht werden konnten. Der Übergang von der christlich-byzantinischen zur islamisch-osmanischen Ordnung insbesondere für den Raum Konstantinopel und den heiligen Berg Athos bedeutete weder einen Einbruch der vorhandenen Infrastruktur noch der mönchischen Netzwerke, die zu dieser Zeit bestanden. Die neue Herrschaft übernahm viel von der alten und konsolidierte diese durch den Auf- und Ausbau eigener Strukturen. Mönche waren dabei zentrale Akteure in der Politik der spätbyzantinischen und osmanischen Zeit, als die Macht von Patriarchen immer prägnanter wurde. Deren kanonische Jurisdiktion überstieg sogar den Herrschaftsbereich sowohl des byzantinischen als auch des osmanischen Staates, was sich auch im gesteigerten Einfluss kirchlich-patriarchaler, mönchisch geprägter Akteure zeigte.

In seiner Analyse konzentriert sich Dr. Grigore auf die Donaufürstentümer Walachei und Moldau, deren Lage in dieser Zeit des Wandels von zentraler Bedeutung war. An diesen Knotenpunkten kultureller, politischer und religiöser Kommunikation lassen sich die langfristigen Transformationsprozesse der orthodoxen Welt wie in einem Brennglas verfolgen. Durch die Nachzeichnung der Reisewege seiner vier Protagonisten versucht Dr. Grigore zu ermitteln, wie mönchische mobile Eliten auf Prozesse der Herrschaftsbildung einwirkten und wie sie lokale Herrschaftsbereiche in größere Kontexte einbanden.

Dabei zeigt sich, dass Mobilität einerseits die Herrschaftsbildung prägt, aber andererseits von Herrschaftsstrukturen abhängt. Die Fürstentümer Walachei und Moldau waren selbst direkte Resultate mobiler Faktoren, denn ihre ersten Herren waren Fremde. Unter Einfluss der Johanniter und der Ritter des Deutschen Ordens entstanden im 13. Jahrhundert Herrschaftsstrukturen, die in den orthodoxen Kommunikationsraum integriert wurden. Auch dieser lässt sich anhand der Protagonisten beleuchten, denn mönchische Netzwerke nutzten die imperiale Infrastruktur: Straßen, Post und Gaststätten ermöglichten die Beförderung von Personen und Gedanken, und Schutzbestimmungen gaben ein Maß an Sicherheit. Dabei soll gezeigt werden, welchen Beitrag die Mobilität zu dieser Integrationsdynamik leistete und welche Zugehörigkeitsnarrative entstanden.

In Dr. Grigores Monographie wird Herrschaft durch die Linse der Mobilität betrachtet und ein neues Bild der polyzentrischen orthodoxen Welt gezeichnet.

Die eigens für das Projekt generierte Karte zeigt Südosteuropa um 1475.

Stipendiat

PD Dr. Mihai-Dumitru Grigore, Mainz

Förderung

Die Gerda Henkel Stiftung unterstützt das Vorhaben durch die Gewährung eines Forschungsstipendiums sowie die Übernahme von Reise- und Sachkosten.

 

Dieses Projekt wurde im März 2022 dokumentiert.