Nukleare Verbindungen zwischen Taiwan, der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik China zur Zeit des Kalten Krieges (1960-1989) – Nuklearexporte zwischen Nichtverbreitung und Technologietransfer

Erster Atombombentest der Volksrepublik China am 16. Oktober 1964

Am 16. Oktober 1964 testete die Volksrepublik China erfolgreich ihren ersten nuklearen Sprengsatz und stieg nach den USA, der Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich zur fünften Atommacht auf. Die VR China veränderte damit von Grund auf die strategische Land­karte Ostasiens, denn die Atombombe untermauerte ihren Machtanspruch auf internationaler Ebene und sicherte ihr einen entscheidenden Vorsprung im Ver­hältnis zur Republik China auf Taiwan. Während der primäre Fokus der Volksrepublik zunächst auf dem militärischen Bereich lag, rückte die Nutzung der Atomtechnik für zivile Zwecke ab den 1970er Jahren verstärkt in Pekings Interessensfeld. Diese Hinwen­dung zur zivilen Nutzung fiel zeitlich mit der Hoch­phase westdeutscher Nuklearexporte zusammen, so dass schon bald einschlägige deutsch-chinesische Kontakte aufgenommen wurden. Taiwan wiederum versuchte seit den 1960er Jahren, unter der Oberflä­che des Aufbaus seiner zivilen nuklearen Infrastruktur ein geheimes Kernwaffenprogramm voranzutreiben.  Auch hier hoffte man, in Westdeutschland einen Technologiepartner zu finden. Beinahe wäre die Inselrepublik in diesem Zuge der erste internationale Abnehmer eines westdeutschen Kernreaktors geworden.

Aufnahme aus einem Bericht über das erste Kernkraftwerk
in der Taiwan Shin Sheng Daily News, zwischen 26.09.1976 und 16.07.1978
Werbetafel der dritten Wanderausstellung zur Atomenergie, die der Gouverneur der Provinz Taiwan, Hsieh Tung-min, am 06.07.1973 besuchte.

Die Sinologin Dr. Laura Pflug untersucht auf der Basis zeithistorischer Quellen die Geschichte des Transfers von Atomtechnologie im Dreieck Republik China (Taiwan) – Bundesrepublik Deutschland – Volksrepublik China zwischen 1960 bis 1989. Dabei sollen insbesondere die Handlungsradien staatlicher und wirtschaftlicher Akteure im Bereich des nuklearen Technologietransfers ausgelotet werden. Sie möchte herausarbeiten, wie sich die asiatischen Atompro­gramme vor diesem Spannungsfeld entwickelten, welche Rolle dem Status als Atommacht zukam und wie sich die Interessen anderer Länder – insbesondere Deutschlands – auf diesen Konflikt auswirkten.

Der Handel mit Atomtechnologie war politisch brisant, bestand doch stets der Verdacht, Kerntech­nologie nicht nur für zivile Zwecke einzusetzen, son­dern auch militärisch zu nutzen (Dual-Use). Nach der massiven Subventionierung dieser Industriesparte im eigenen Land versuchten westdeutsche Akteure, inter­nationale Märkte für entsprechende Exportvorhaben zu gewinnen, und verhandelten dabei auch mit auto­kratischen Regimen. Als Partner in Atomgeschäftsver­handlungen mit Taiwan und der VR China nahm die Bundesrepublik dabei eine Scharnierfunktion ein, so dass an diesem Beispiel die Rahmenbedingungen und Entwicklungen der nuklearen Handelspolitik der bei­den ostasiatischen Staaten zur Zeit des Kalten Krieges besonders deutlich werden. In diesem Zusammenhang betrachtet Dr. Pflug mit der VR China und Taiwan erstmals auf der Grundlage deutsch- und chinesisch­sprachiger Primärquellen zwei ostasiatische Staaten, die gemeinsam mit Deutschland (und den beiden Koreas) im Zentrum des Kalten Krieges standen, aber wegen ihrer Verortung in Ostasien in (europäischen) Untersuchungen zum Kalten Krieg oft nur unzurei­chend berücksichtigt wurden.

Um diese Forschungslücke zu schließen, wird Dr. Pflug das noch unveröffentlichte Quellenmaterial sammeln, dokumentieren und systematisch auswerten. Ihre Forschungsergebnisse wird sie auf Fachtagungen vorstellen und in einer Monographie, die als Habilita­tionsschrift dienen soll, zusammenfassen.

Stipendiatin

Dr. Laura Pflug, Berlin

Förderung

Die Gerda Henkel Stiftung unterstützt das Vorhaben durch die Gewährung eines Forschungsstipendiums sowie die Übernahme von Reise- und Sachkosten.

Das Projekt wurde im Frühjahr 2023 dokumentiert.