Dokumentation zu diesem Projekt

The Rickshaw and the Railroad: Human-Powered Transport in the Age of the Machine

Jinrikisha in Japan. Das Bild, entstanden um ca. 1890, zeigt eine Frau mit großem Sonnenschirm in einer Rikscha sitzend, die von einem Mann gezogen wird.

Einführung

Rikschas sind zweirädrige, von Menschen gezogene Gefährte zur Personenbeförderung, die in Japan erfunden wurden und sich schnell über die Kontinente verbreiteten. Während Fahrrad- oder Autorikschas unter verschiedenen Namen wie Tuktuk oder Mototaxi auf der ganzen Welt in Gebrauch sind, sind die handgezogenen Rikschas, sogenannte Laufrikschas, heute fast vollständig aus dem Straßenbild verschwunden. In Japan sind sie nur noch in der Nähe von Sehenswürdigkeiten als Touristenattraktion zu finden. Doch entgegen der mit dieser Entwicklung einhergehenden Erwartung, dass Handel und gesellschaftliches Leben innerhalb und außerhalb Japans künftig weniger vom menschbetriebenen Verkehr abhängig sein würden, ist das Gegenteil eingetroffen – man denke beispielsweise an die Paketzustellung oder Essensauslieferungen.

„Ryūkō kuruma zukushi“ lautet der Titel dieses Bildes, was übersetzt bedeutet „Eine Mischung verschiedener moderner Fahrzeuge“. Entstanden ist der Druck in Japan zwischen 1850 und 1900 auf Hōsho Papier, traditionellem, qualitativ sehr hochwertigem Papier, das stark und widerstandsfähig ist und deshalb gerne zum Zeichnen genutzt wurde. Zu sehen sind unter anderem handgezogene Rikschas.

Mit dieser Widersprüchlichkeit befasst sich Dr. Kate McDonald in ihrem Forschungsprojekt an der University of California in Santa Barbara. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit stehen die Ursachen für den dramatischen Verfall der Arbeitsbedingungen und der stabilen Beschäftigung im Transportwesen. Ausgangspunkt ist, dass sowohl die Übertragung der sozialen, ökologischen und individuellen Kosten des Verkehrs durch Logistik- und Transportunternehmen auf die Körper der Menschen als auch die Gleichsetzung der Transportmechanisierung mit sozialem Fortschritt dafür verantwortlich sind.
Anhand einer transnationalen Geschichte des Transportwesens, ausgehend von Japan, will Dr. McDonald in ihrer Forschung zum einen zeigen, wie das Mantra des sozialen Nutzens der Transportmechanisierung seit über hundert Jahren genutzt wurde, um von den sozialen Forderungen der Rikscha-Zieher, Hafenarbeiter, Lastwagenfahrer und Paketzusteller abzulenken. Zum anderen macht sie deutlich, dass die fortschreitende Mechanisierung weder die Arbeitsbedingungen noch den sozialen Status von Transportarbeiterinnen und Transportarbeitern verbessert hat. Vielmehr führten sie zu ständiger Neuschaffung von Transportsystemen, die für ihren Betrieb auf prekäre menschliche Arbeit angewiesen waren und sind. Dabei thematisiert Dr. McDonald, wie Darstellungen des von Menschen angetriebenen Verkehrs als „Vergangenheit der Moderne“ im Laufe der japanischen Zeitgeschichte eingesetzt wurden, um die Arbeit der im Transportwesen Tätigen zu entwerten. Das wiederum führte dazu, dass die Arbeiterinnen und Arbeiter die Frage nach dem sozialen Nutzen der Transportmechanisierung konsequent in den Fokus ihres sozialen und politischen Aktivismus stellten. Mit Blick auf das 19. bis 21. Jahrhundert untersucht Dr. McDonald, wie moderne Kreislaufnetzwerke den menschlichen Körper als Element in ein größeres technologisches Transportsystem integriert haben. Auf diese Weise deckt ihre Forschung die zentrale Bedeutung menschlicher Macht und Ohnmacht für die moderne Transportgeschichte auf und erzählt die Geschichte des Verkehrs als eine Geschichte von Menschen – und nicht von Maschinen. Grundlage ihrer Recherchen bilden Archivalien in Tokio, die Primärquellen zu beinahe jedem Aspekt der Geschichte des Transportwesens sowie politische Stellungnahmen zu dessen Bedeutung von Seiten der Regierung über die Jahrhunderte hinweg bieten. Am Ende des Forschungsprojekts soll eine Monografie stehen, die den Grundstein für eine kritische Einordnung der modernen Weltgeschichte legt, die seit dem 18. Jahrhundert pauschal behauptet, dass Verbesserungen im Transportwesen zu Verbesserungen für Gesellschaften führen.

Stipendiatin

Dr. Kate McDonald, Santa Barbara

Fördermaßnahmen

Die Gerda Henkel Stiftung unterstützt das Vorhaben durch die Gewährung eines Forschungsstipendiums sowie die Übernahme von Reisekosten.

Das Projekt wurde im Mai 2021 dokumentiert.