Dokumentation zu diesem Projekt

Van Gogh & collector Dr Gachet

Van Gogh und der Sammler Doktor Gachet.
Die Bedeutung des Kunstsammlers Paul Gachet für das Leben und Nachleben Vincent van Goghs und die Künstler von Auvers-sur-Oise

Vincent van Gogh (1853 - 1890): Portrait des Doktor Gachet, Juni 1890, Farbradierung auf Papier, 30.6 x 23.6 cm
Vincent van Gogh (1853 - 1890): Auvers-sur-Oise, Mai-Juni 1890, Öl auf Leinwand, 50.2 cm x 52.5 cm
Brief von Paul Gachet sr. an Theo van Gogh, Auvers-sur-Oise, 15. August 1890

(übersetzter Projekttitel)

„Wir dürfen uns auf keinen Fall auf Doktor Gachet verlassen. Erstens ist er noch kränker als ich, so schien mir, oder sagen wir mindestens genauso. Also wenn ein Blinder einen anderen Blinden führt, fallen dann nicht beide in den Graben?“ Zwei Monate später war Vincent van Gogh tot und die Rolle seines behandelnden Arztes Dr. Paul Gachet wurde zum Stoff hitziger Auseinandersetzungen. Umso verwunderlicher ist es, dass die Person Dr. Gachets selbst kaum untersucht wurde, obwohl er eine zentrale Figur in der letzten Lebensphase van Goghs und bei der Verbreitung seines Vermächtnisses war.

Der Arzt akzeptierte auch Kunstwerke als Bezahlung, wodurch das Van Gogh Museum in Amsterdam eine Sammlung von nicht weniger als 353 Werken (Zeichnungen, Gemälde und Drucke) aus Gachets Zirkel besitzt. Zusammen mit den mehr als 400 Briefen, die der Arzt und sein Sohn mit der Familie van Goghs und deren Nachfahren wechselte, bilden sie die Grundlage für die Forschungen der assoziierten Kuratorin Sara Tas. In ihrem Vorhaben versucht sie erstmalig, die Rolle Dr. Gachets als Vermittler und Motivator zu definieren. Welchen Einfluss hatte er auf die Künstler, welchen auf die Werke selbst und welchen insbesondere auf van Gogh?

Bereits 1872 war Dr. Gachet nach Auvers-sur-Oise, einem malerischen Dorf am Nordwestrand von Paris gezogen. Fortan betreute er Patienten in der Hauptstadt und in Auvers. Da Gachet selbst ein Teil der Pariser Künstlerwelt war – er stellte beispielsweise im Salon des Indépendants aus und nahm an prominenten Veranstaltungen der Avantgarde wie den Dîners du rouge et du bleu und den Dîners des Éclectiques teil –, wurde sein Haus in Auvers zum Anlaufpunkt für Künstler. Diese kamen nicht nur zu Behandlungen, sondern auch, um in der Umgebung zu malen oder sich, wie Pissarro, Guillaumin, Cézanne und später auch van Gogh, unter Anleitung Gachets an dessen Druckpresse zu versuchen.

Die Zeit, die van Gogh in Auvers verbrachte, war außergewöhnlich produktiv, was nicht zuletzt auf den Einfluss Gachets zurückzuführen ist, der ihn immer wieder ermutigte, neue Werke zu schaffen. Dennoch wird diese letzte Phase seines Lebens meist nur beiläufig erwähnt oder auf ihr tragisches Ende reduziert. Dabei ist diese Schaffensperiode von einem ganz eigenen Stil geprägt – nicht zufällig zählt das „Portrait des Dr. Gachet“ bis heute zu van Goghs berühmtesten Werken. Anlässlich seines 170. Geburtstages und des 50. Jubiläums des Van Gogh Museums soll die Ausstellung „Van Gogh & Auvers“ der Öffentlichkeit erstmals einen Überblick über diesen Schaffenskomplex bieten.

Das Forschungsprojekt fügt sich somit in einen größeren Ausstellungskontext ein, dem die eingehende Beschäftigung mit der Person Dr. Gachets zu Grunde liegt. Um diese Ausstellung zu ermöglichen, kooperiert das Van Gogh Museum mit dem Pariser Musée d’Orsay, das ebenfalls über ein bislang unerforschtes Archiv zu Dr. Gachet verfügt. Anhand des reichhaltigen Materials beider Museen versucht Sara Tas die noch unsichtbaren, aber bedeutenden Muster aufzuzeigen, in denen sich Gachets Einfluss manifestiert. Dabei werden die Bestände erstmals in Datenbanken erfasst und sorgfältig dokumentiert, um sie der Fachwelt und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Forschungsergebnisse ermöglichen einen wichtigen Teil der Ausstellung „Van Gogh & Auvers“: eine graphische Sammlung, die die Rolle Gachets bei der Verbreitung der Radierung in der Avantgarde darstellt.

Darüber hinaus werden die Ergebnisse in einem wissenschaftlichen Artikel für den Ausstellungskatalog sowie in einem Symposiumsvortrag festgehalten und als Grundlage einer Doktorarbeit über Dr. Paul Gachet an der Universität Amsterdam dienen.

Projektleitung

Emilie Gordenker

Institution

Van Gogh Museum Amsterdam

Förderung

Die Gerda Henkel Stiftung unterstützt das Vorhaben durch die Gewährung eines Promotionsstipendiums sowie die Übernahme von Reise-, Sach- und Personalkosten.

 

Dieses Projekt wurde im März 2022 dokumentiert.